Sie spricht von Verbannung, einem harten Kampf ums Überleben und Intrigen: Die schwedische Dichterin Katarina Frostenson hat sich erstmals öffentlich gegen die Vorwürfe rund um den Skandal bei der Schwedischen Akademie zur Wehr gesetzt. Wie es sich für eine Schriftstellerin gehört, tut sie dies mit Hilfe eines Buches - und muss nicht lange auf Kritik an ihrer Sicht der Dinge warten.

Ein kurzer Rückblick: Die Schwedische Akademie, die über die Grenzen Skandinaviens vor allem als Vergabe-Institution des Nobelpreises für Literatur bekannt ist, ist vor gut eineinhalb Jahren in eine tiefe Krise gestürzt. Im Mittelpunkt des Skandals: Frostenson und ihr Ehemann Jean-Claude Arnault. Diesem haben 18 Frauen im November 2017 im Zuge der #MeToo-Enthüllungen sexuelle Übergriffe und Belästigung vorgeworfen. Anfang Dezember 2018 wurde er von einem Berufungsgericht in Stockholm gar wegen Vergewaltigung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.

Verstoß gegen Geheimhaltungspflicht

Als wäre das nicht genug, warf die Akademie den beiden auch vor, die Literaturnobelpreisträger im Voraus ausgeplaudert und damit gegen ihre Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben. Wegen des Streits gab es 2018 keinen Literaturnobelpreis. In diesem Jahr sollen nun zwei Preise - einer für 2018 und einer für 2019 - vergeben werden. Frostenson, seit 1992 Mitglied der Akademie, schwieg im Gegensatz zu vielen anderen monatelang zu den Vorwürfen. Mitte Jänner trat die heute 66-Jährige schließlich aus dem Gremium aus. Damit kehrte so etwas wie Ruhe ein bei der Stockholmer Institution - bis jetzt.

"K" heißt die Erzählung, in der Frostenson die Geschehnisse der Zeit vom November 2017 bis zum Mai 2018 verarbeitet. Das stellt in etwa den Zeitraum vom Beginn der internen Krise bei der Akademie bis zur Bekanntgabe der Absage des letztjährigen Literaturnobelpreises dar. Das Werk ist vor wenigen Tagen in den schwedischen Handel gekommen - ob es ins Deutsche übersetzt wird, ist noch nicht bekannt.

Im Schwedischen liest es sich wie eine schriftstellerische Selbstverteidigung. Frostenson beschreibt es als "die Erzählung aus einer Zeit des Exils während Verfolgung und Verleumdung". Nach Bekanntwerden des Falles hätten ihr anonyme Anrufer auf dem Anrufbeantworter den Tod gewünscht. Dass sie sich öffentlich bisher nicht wehrte, erklärt sie so: "Wie verteidigt man sich gegen Dinge, die nicht passiert sind, gegen Lügen? Das macht man nicht. Es gibt kein Gegenmittel gegen Verleumdung, wie Ovid geschrieben hat."

Nur dank des Schreibens habe sie diese schwere Zeit überlebt, sagt Frostenson in einem Interview des schwedischen Verlags Polaris, der "K" herausgebracht hat. "Wir konnten nicht mehr in Schweden sein, so wie das herrschende Klima war." Groß deshalb die Erleichterung, als der Zug sie zunächst ins benachbarte Dänemark gebracht habe. "Wir atmeten auf, als wir über die Grenze waren." Die Folgezeit verbrachte das Paar in Frankreich, der gebürtigen Heimat ihres Mannes.

Intrigen und Kabale

Sie habe dabei an alle anderen Schriftsteller denken müssen, die aus unterschiedlichsten Gründen ihr Land verlassen mussten, so Frostenson. Sie spricht von Intrigen, von "Kabale" - wie in Friedrich Schillers "Kabale und Liebe" - denen ihr Mann und sie ausgesetzt worden seien. "Man wird geprüft. Und man muss sehen, ob man diese Prüfung besteht." Die Schilderungen der Frauen gegen ihren Mann, so Frostenson in dem Buch, seien "groteske Übertreibungen, Lügen und Verleumdungen", ihr Motiv Neid und Karrierelust. Und die Vorwürfe, sie habe die Namen der Nobelpreisträger ausgeplaudert? Allesamt falsch, beteuert sie.

Harsche Kritik

Die schwedische Schriftstellerin Gabriella Hakansson ist erbost über das Buch. Sie gehörte zu den Frauen, die Ende 2017 die Vorwürfe gegen Arnault erhoben hatten. Dass Frostenson die Vorwürfe von gleich 18 Frauen als Verschwörung, Verfolgung und Hetzjagd porträtiere, sei vollkommen realitätsfern, sagte Hakansson dem TV-Sender SVT. "Es ist schockierend, dass sie den Ernst der Übergriffe ihres Mannes nicht einsehen kann, dass sie das Leid anderer nicht verstehen kann, ohne sich selbst zur Märtyrerin in diesem furchtbaren Drama zu machen."

Horace Engdahl, der lange als Ständiger Sekretär der Akademie die Nobelpreisträger verkündet hatte und als eine Art Bad Boy der schwedischen Hochkultur gilt, wählt das Motiv des Märtyrers auf ganz andere Weise. Er hat in diesen Tagen ebenfalls ein neues Buch veröffentlicht, "De obekymrade" (Die Unbekümmerten) heißt es. Dessen Titel zeigt den von Pfeilen durchbohrten Heiligen Sebastian, der offenbar die heutige Lage des Mannes darstellen soll. Pikant ist das und seine umstrittene Sicht auf die Geschlechter auch deshalb, weil Engdahl sich immer wieder für seinen Freund Arnault ausgesprochen hatte - und die Vorwürfe der 18 Frauen öffentlich infrage stellte.