Rote Schließfächer, eine knallgelb bestuhlte Zuschauertribüne und eine Sportkantine mit Würstlaroma: Nach der großartig widerspenstigen offiziellen Eröffnung am Freitagabend starteten die Wiener Festwochen, die ersten unter dem neuen Intendanten Christophe Slagmuylder am Samstag in Transdanubien - in der Eishockeyheimat der Erste-Bank-Arena in Wien-Donaustadt.

In Mette Edvardsens Performance „Time Has Fallen Asleep in the Afternoon Sunshine“ erfährt man als Zuschauerin das Privileg, dass einem eine Person sein oder ihr Lieblingsbuch vorträgt - ein intimer Moment, ganz leger auf einer Parkbank, ein Solo-Vortrag von Goethes „Faust“. Und jeder einzelne Versprecher bezeugt die Einzigartigkeit des Moments. Die Liste der Rezitierungsvorlagen ist lang: zur Auswahl stehen Rainald Götz' "loslabern", Christa Wolfs "Nachdenken über Christa T.",  Herman Melvilles "Bartleby" oder Friederike Mayröckers "Paloma".

1,5 Kilometer weiter öffnen sich nicht nur die Ohren des Publikums, sondern die Fenster im Gemeindebau im Alfred-Klinkan-Hof, benannt nach dem gleichnamigen, viel zu früh verstorbenen steirischen Künstler, der hier sein Atelier hatte. Anna Witt hat für ihre Installation „Beat House Donaustadt“ in 533 Wohnungen Bewohnerinnen und Bewohner gefunden, deren uneinheitlichen Herzschlag sie mittels eines Ultraschallgeräts aufgenommen hat. 20 Minuten lang wummert am Samstagnachmittag der verstärkte, kollektive Herzschlag der hier lebenden Menschen im Hof. Ein Herzschlag-Manifest des Lebendigen, des Diversen. Eines, das noch einige Momente sanft im eigenen Körper nachbebt. Und eines, das einen jungen Mann zur Gegenperformance mit dem Song "Vienna Calling" motivierte.

Begleitet wurde der Tag in der Donaustadt von einer schwarzen Flagge, die im Rahmen von Ula Sickles "Relay" fünf Stunden lang von unterschiedlichen Performern geschwungen werden sollte. Inspiriert von den Protesten der vergangenen Jahre.

Nach dem Reigen der Eröffnungsreden durften Kultur-Besucher auch bei der Eisdisco aufs Eis, bevor mit Mariano Pensottis fünfeinhalbstündigem Theatermarathon "Diamante" ein erster Höhepunkt der Festwochen über die Bühne in der Eishalle ging.