Johann Sebastian Bachs sechs Suiten für Violoncello gehören zum Repertoire aller Cellisten. Wer diese mathematisch strukturierte Partitur in Musik umwandeln kann, vermag große Klangerlebnisse zu verschaffen, wie der Kanadier Jean-Guihen Queyras. Wenn dann eine Choreographin wie die Belgierin Anne Teresa De Keersmaeker dessen Tonwelt in Tanzsprache überführt, dargeboten von den formidablen Rosas, dann können Glücksmomente entstehen, in denen reiner Klang mit reiner Bewegung verschmilzt.

„Mitten wir im Leben sind/Bach6Cellosuiten“ im Burgtheater war der erste Top-Act des Wiener Tanzfestivals. Keersmaeker ist eine hochmusikalische Analytikerin und versteht es wie kaum jemand, Bach zu visualisieren und in energetischen, körperlichen Schwung zu versetzen. Großartig, wie zwei Tänzerinnen und drei Tänzer phrasengenau in Spiralen, Kreisen, Drehungen um die Achsen Horizontale, Vertikale und das Cello Queyras’ fließen. Es geht hier nicht um emotionalen Ausdruck, sondern um einen Austausch von Musik und Tanz. Besonders in der sechsten Suite, wo auch Stillstand und Stille mitspielen, entstehen wie nebenbei berührende Minuten, die nichts bedeuten, aber alles sind. Schade, dass Keersmaeker selbst wegen eines Reitunfalls nicht wie geplant mittanzen konnte.

Auch die nächsten Höhepunkte wurzeln in Kanada: Marie Chouinard, Leiterin der Tanzbiennale Venedig und eine so sinnliche wie fantasievolle Choreographin, zeigt „Radical Vitality“ (ab 24. 7.). Wieder einmal zu Gast ist Louise Lecavalier, ehemalige Protagonistin von La La La Human Steps, die schon David Bowie das Tanzen lehrte.

Auch Österreich ist prominent vertreten mit Florentina Holzinger, die in ihren schrillen und trashigen Performances einen Mix aus Akrobatik und Tanz zeigt.