Die (An-)Spannung vor den Polittalks heute Abend in ORF 2 könnte größter nicht sein. Nicht nur, weil das Rennen um die Bundespräsidentschaft offen ist wie noch nie. Auch eine derartige Sendung hat es hierzulande noch nie gegeben: In "Die 2 im Gespräch" treffen heute ab 20.15 Uhr fünf Kandidaten in zehn kurzen Duellen aufeinander (Ablauf siehe am Ende des Artikels). Geleitet werden die Gespräche abwechselnd von Marie-Claire Zimmermann und Tarek Leitner.

"Besser als Autospritztouren"

Zwei von der Kleinen Zeitung befragte Politprofis haben höchst unterschiedliche Erwartungen an den Abend der pausenlosen Diskussionen: Josef Kalina hält die Zwiegespräche "für einen interessanten Versuch und jedenfalls besser als Autospritztouren", ätzt der PR-Unternehmer mit SPÖ-Vergangenheit in Richtung Hanno Setteles "Wahlfahrt". Kommunikationsexpertin Heidi Glück, einst Sprecherin von Wolfgang Schüssel, ortet dagegen "die große Gefahr, dass es durch die Kürze sehr oberflächlich bleibt und wenig Erkenntniswert für die Wahlentscheidung beiträgt".

Heidi Glück war Pressesprecherin von ÖVP-Kanzler Schüssel und ist heute Kommunikationsberaterin
Heidi Glück war Pressesprecherin von ÖVP-Kanzler Schüssel und ist heute Kommunikationsberaterin © KK

Was würden die beiden Experten denn Griss, Hofer, Khol & Co. für ihre Turbo-Auftritte raten? "Konkrete Antworten, kein Herumdrucksen sowie Kämpferisches, aber kein aggressives Auftreten", lautet Heidi Glücks Rezept. Etwas persönlicher sind die Empfehlungen Josef Kalinas: "Sei du selbst. Sei authentisch. Rede über dich und darüber, wie du als Bundespräsident agieren wirst." Völlig einig ist man sich in Sachen Bedeutung des Mediums Fernsehen: Glück sieht darin vor allem für spätentschlossene Wähler die "wichtigste Informationsquelle". Aus Kalinas Sicht ist Fernsehen für einen Politiker im Wahlkampf "das wichtigste Medium, weil es emotional wirkt".

Josef Kalina war viele Jahre in der SPÖ aktiv und ist heute PR-Unternehmer in Wien
Josef Kalina war viele Jahre in der SPÖ aktiv und ist heute PR-Unternehmer in Wien © Privat

Beispielhaft gut war für Glück bislang noch kein TV-Auftritt eines der Kandidaten, richtig schlecht war auch noch niemand: "Über gut bis mittelmäßig kam aber keiner hinaus. Es fehlt an Esprit und Überzeugungskraft, warum man ihn bzw. sie wählen sollte", lautet das Zwischenresümee der Kommunikationsexpertin. Konkreter wird Kalina: "Hofer hat in der Elefantenrunde auf Puls 4 den Newcomer-Effekt gut genützt, Griss nutzte ihr Alleinstellungsmerkmal als Frau, und Hundstorfer war am Dienstag im ,Report‘ genauso, wie sich die Österreicher einen Bundespräsidenten wünschen", findet der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer.

Nicht punkten konnten bei ihm bislang der ÖVP-Kandidat und der Favorit in den Umfragen: "Van der Bellen und Khol tun sich sichtlich schwer – beim grünen Kandidaten merkt man schon jetzt eine gewisse Müdigkeit, Khol leidet an seiner eigenen Partei." Kalina setzt – wenig überraschend – auch darauf, dass Hundstorfer in die Stichwahl einziehen wird. Glück gibt Griss und Van der Bellen die "besten Chancen".

Uneins in Sachen Lugner

Dass Richard Lugner vom ORF heute nicht eingeladen wurde, ist für Kalina nachvollziehbar: "Dieser Herr ist ein Spaßkandidat, der Werbung für sein Kaufhaus machen möchte und sonst nichts." Glück sieht darin hingegen eine „nicht argumentierbare Ungleichbehandlung“ durch den ORF - "zumal Lugners Prozente über die Stichwahlteilnehmer entscheiden könnten". Der ORF teilte am Mittwoch mit, dass "Außenseiter" Lugner seit Jahresbeginn in 68 Sendungen zu sehen und hören war – exklusive seiner Societyauftritte.