Claus Guth und sein erster "Fidelio": Die Salzburger Festspiele haben die Beethoven-Oper heuer (Premiere am 4. August) einem ihrer Hausregisseure übertragen und ihn mit Jonas Kaufmann und Franz Welser-Möst großzügig ausgestattet. Im APA-Interview erklärt der Deutsche, warum er der "schweren Nuss" bisher ausgewichen ist, und wie er sie nun durch Streichen der Dialoge doch geknackt hat.

Sie inszenieren den "Fidelio" zum ersten Mal. Warum erst jetzt?

Claus Guth: In der Tat, der "Fidelio" ist mir schon öfters als Inszenierung angeboten worden, aber ich habe immer abgelehnt. Das ist eine schwere Nuss - Naivität und Pathos in schwieriger Melange einerseits, geniale Musiknummern und schwächliche Texte anderseits. Nun traue ich mich mal heran - hier in Salzburg, im Rahmen außerhalb des Repertoires scheint mir so eine Annäherung möglich.

Inwiefern stimmt die gerne genutzte Bezeichnung "Befreiungsoper" auch in Ihrer Deutung des "Fidelio"?

Guth: Ich versuche in meiner Interpretation den Begriff Gefangenschaft und Befreiung weiter zu fassen. Alle Personen dieses Stückes sind befangen und gefangen in Abhängigkeiten - aus emotionalen oder hierarchischen Gründen. Die Hoffnung, sich daraus zu befreien, teilen sie, doch zu gelingen scheint es niemand.

Der "Fidelio" ist die einzige Oper Beethovens. Spielt diese Tatsache bei der Interpretation eine Rolle?

Guth: Nein, nicht wirklich - aber es spielt eine Rolle, dass Beethoven alles andere als ein Opernroutinier war. Bis zum Schluss war er auf der Suche nach der adäquaten Form. Musikalisch sind ihm unfassbar geniale Eingebungen gekommen - theatralisch bleibt das Stück eine Baustelle. Deshalb ist mir der Text auch nicht so heilig - das hat es möglich gemacht, die Rezitative zu streichen. Ich habe bemerkt, dass dabei eigentlich keine wesentliche Information verloren geht. Zum Glück war ich nicht der einzige, der an der Qualität dieser Dialoge zweifelt.

Titelgebendes Motiv der Oper ist die Treue. Ist das nicht ein Prinzip, das in einer relativistischen und individualistischen Gesellschaft nur noch schwer verstanden werden kann?

Guth: Die Idee der Treue ist wohl zeitlos gültig und verständlich. Interessant wird es tatsächlich, wenn man den Mensch als ein sich stets veränderndes Individuum wahrnimmt. Wem bin ich treu: dem der er/sie damals war - aber was, wenn er jetzt ein "Anderer" ist? Auch deswegen wurden zwei zusätzliche Figuren, als Schatten, eingeführt. Durch sie laufen diese verschiedenen Ebenen einer Person mit.

Der Florestan ist eine der Paraderollen des Opernsuperstars Jonas Kaufmann. Wie geht man als Regisseur damit um, wenn eine Produktion so stark mit einem Sänger assoziiert wird - und wenn dieser die Partie schon so oft gesungen hat?

Guth: Das spielt alles keine Rolle. Ich kenne Jonas recht gut, und er ist ein begnadeter Sängerdarsteller, der sich jeder neuen Herausforderung frisch und unverkrampft öffnet.

Für Salzburg waren Sie mit Ihrer Da Ponte-Trilogie stilprägend. Haben Sie Sven-Eric Bechtolfs Inszenierungen gesehen?

Guth: Ich habe nichts davon gesehen - kann also nichts dazu sagen. Ich freue mich jedoch, wie unglaublich oft ich auf meine Interpretationen wütend oder begeistert angesprochen werde. Und außerdem ist es wunderbar, dass alle drei Da Pontes weiter "leben", sei es in Toronto, Mailand oder Berlin und Amsterdam.

Was können Sie bereits über die "Poppea" verraten, die Sie im Herbst im Theater an der Wien inszenieren?

Guth: Ach, da ist es ja noch so lang hin!

INTERVIEW: MARIA SCHOLL/APA