Enttäuscht reagiert der ORF-Redakteursrat auf das im Nationalrat von SPÖ und ÖVP beschlossene Medienpaket. "Gewaltige ORF-Reform, gewaltig gescheitert", kommentierten die ORF-Journalisten die Reform, die vor allem bürokratische Erleichterungen für Privatsender und den ORF bringt. SPÖ und ÖVP hätten ihr Versprechen für mehr Unabhängigkeit im ORF wieder nicht erfüllt, so die Journalisten.

Mini-Reförmchen

"Medienpolitik in Österreich ist offenbar in erster Linie Macht- und Klientelpolitik. Es gibt zwar Lippenbekenntnisse zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn es aber um die Stärkung der Unabhängigkeit und die Verringerung des Einflusses der Parteipolitik auf den ORF geht, dann verkümmern groß angekündigte Reformen zu Mini-Reförmchen", meinte Redakteursratsvorsitzender Dieter Bornemann. Dieser erinnerte an die von SPÖ und ÖVP 2012 angekündigte "gewaltige" Reform des ORF mit einem verkleinerten und unabhängigen ORF-Stiftungsrat. "Statt dessen werden die Aufsichtsgremien des ORF weiterhin wie eh und je bestellt. Nach Regeln, die weder die fachliche Qualifikation der Mitglieder von Stiftungs- und Publikumsrat, noch Transparenz garantieren", kritisierten die ORF-Journalisten.

"Parteiproporz"

Im ORF-Stiftungsrat herrsche "Parteienproporz, und um das zu verschleiern, gibt es eben keinen Fraktionen, sondern Partei-'Freundeskreise'". Die jüngste Umbesetzung des steirischen Stiftungsrats von Rot auf Schwarz zeige, "dass die Parteien wie gewohnt im ORF fuhrwerken". Für die bevorstehende Neubestellung der ORF-Geschäftsführung im Sommer 2016 befürchten die Journalisten deshalb Schlimmes: "Schon jetzt gibt es Anzeichen, dass es bei der anstehenden Vergabe von Führungsfunktionen für den amtierenden Generaldirektor in erster Linie darum geht, Parteiwünsche zu erfüllen, anstatt auf journalistische Reputation, Managementfähigkeiten und innovative Zugänge an die Herausforderungen des Qualitätsjournalismus zu achten. Es geht vor allem darum, sich im Stiftungsrat mit entsprechenden 'Personalpaketen' die notwendige Stimmenmehrheit zu sichern. Mit Bedauern müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass für Belange des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht die Verfassung, sondern die österreichische Realpolitik entscheidend ist. Und die verlangt immer noch ein Zugriffsrecht der Parteien auf den ORF. Vom Stiftungsrat über Führungspositionen bis hin zu Musik-Quoten-Regelungen und Twitter-Verboten für ORF-Mitarbeiter."

Auch die Privaten sind unzufrieden

Nicht wirklich zufrieden mit dem beschlossenen Medienpaket ist man auch beim Privatsender ATV. "Dass in Zukunft österreich-spezifische Inhalte in der Must-Carry-Regelung Berücksichtigung finden ist schön und gut. Eine echte Verpflichtung für Kabelnetzanbieter und Programmaggregatoren, diese Sender zu bevorzugen, hätte aber für den Wirtschaftsstandort Österreich und für das österreichischen TV-Publikum zu einer entscheidenden Verbesserung beigetragen", erklärte ATV-Geschäftsführer Martin Gastinger der APA. ATV werde weiter einen starken Fokus auf Eigenproduktionen mit Österreich-Bezug legen und fordert daher "eine echte Must-Carry-Bestimmung für österreichische TV-Sender". Dies müsse sich auch in einer Senderplatzreihung widerspiegeln, die es ermöglicht, österreichische vor deutschen Sendern zu sehen.

"Erfreuliche Erleichterungen" für private Rundfunkveranstalter sieht unterdessen der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) in der Rundfunknovelle. Sie erleichtere die Zusammenarbeit im technischen, organisatorischen und administrativen Bereich und sei daher zu begrüßen. Die Novelle schaffe etwa die Möglichkeit eines ressourcenoptimierten Hörfunkbetriebs durch "Funkhauskooperationen" und trage dazu bei, dass im Privathörfunk Vielfalt und Wettbewerbsfähigkeit besser gesichert werden können.