Die elegante Kollegin ließ alle Contenance fahren: "Diese verdammten, gierigen Bastarde!" Und drückte aus, was gestern viele auf dem Lido dachten: Der Filmverleih hatte kurz davor mitgeteilt, dass statt der angegebenen vier Pressevorstellungen von Woody Allens neuestem Werk "Cassandras Dream" (es läuft außer Konkurrenz) nur eine einzige stattfinden werde. Selbige war dann für halb elf Uhr abends angesetzt, was zu langen Warteschlangen und Emotionsausbrüchen führte.

Der Meister selbst bewohnt dem Vernehmen nach seine Teilzeitherberge drüben in der Stadt und hat für heute einen Besuch auf dem Lido angekündigt. Desgleichen Brad Pitt, der ebenfalls gestern schon samt Angelina Jolie gesichtet wurde und dessen Jesse-James-Biografie heute am frühen Morgen Premiere feiert.

What else? Auf Widrigkeiten stieß außerhalb des Kinos der allseits beliebte George Clooney. Er war Stargast eines Empfangs von Nestlé. Der smarte Amerikaner wirbt bekanntlich - "Nespresso, what else?" - für den weltweit agierenden Nahrungsmittelkonzern.

Nur Kaffee. Da selbiger mehrfach ins Visier von Globalisierungskritikern geraten ist, musste sich der politisch (zum Beispiel in Darfur) engagierte Clooney die Frage gefallen lassen, warum er sich in den Dienst Nestlés stelle. Seine Antwort lag hart an der Zynismusgrenze: "Ich werbe nicht für Nestlé, ich werbe für Kaffee." Auch ein Schauspieler müsse Geld verdienen.

Großer Beifall. Zurück ins Kino, zurück in den Irak: "The Valley of Elah" heißt der neueste Film von Paul Haggis ("Crash"), der auf großen Beifall stieß. Nach Brian De Palmas "Redacted" der zweite US-Film, der sich direkt mit den Geschehnissen im Irak beschäftigt. Ein junger Soldat kehrt von dort heim und wird ermordet. Die Untersuchungen der Militärpolizei fallen eher lasch aus. Sein Vater (Tommy Lee Jones), selbst einst bei der Army, lässt den Fall nicht auf sich beruhen. Gemeinsam mit einer zivilen Polizistin (Charlize Theron) stellt er Ermittlungen an.

Intensive Trauer. Während Theron schon bessere Momente hatte, ist die darstellerische Leistung von Jones ein Weltklasse-Ereignis: Seit Jack Lemmon in "Missing" hat kein Mann Enttäuschung und Trauer intensiver und subtiler vermittelt als er in diesem intensiv leisen Film. Eine Augenoperation hinderte den Helden zahlloser Actionfilme verdiente Ovationen persönlich entgegenzunehmen.

Keine Lösung. "In Vietnam hatten wir kritische Journalisten, die uns mit Wahrheiten konfrontierten, die wir nicht hören und sehen wollten", sagte Haggis nach der Vorführung, "das ist im Irak nicht mehr so." Er habe seinen Film Nahost-Veteranen gezeigt und große Bestätigung erfahren. Ob er eine Lösung wisse? "Nein. Künstler können keine Lösungen anbieten, sondern nur die richtigen Fragen stellen." Ein Kollege will wissen, ob Haggis Film Präsident Bush gefallen würde. "Sure", sagt Haggis, "George likes good movies."