Sie war 17, er war 27. Und beide waren auf einen Erfolg dieses Ausmaßes nicht wirklich vorbereitet. In Ernst Marischkas erstem Teil der "Sissi"-Trilogie spielte die blutjunge Romy Schneider die Titelrolle, Kaiserin Elisabeth von Österreich, und Karlheinz Böhm ihren Gemahl Franz Joseph.

Millionen pilgerten in die Kinos, zwei weitere Teile sollten folgen. Am Schluss hatte fast jeder dritte Bewohner des deutschsprachigen Raumes die royale Süßspeise mit Herz und Augen verschlungen. Angesichts der zahllosen späteren Wiederholungen im Fernsehen stellt sich die Frage, ob es zumindest in Österreich einen Erwachsenen gibt, der keinen "Sissi"-Film gesehen hat.

Zweifellos waren es nicht nur der maßlose Liebreiz der jungen Schneider und der burschenhafte Charme Böhms, die den Filmen eine derartige Popularität bescherten. Beide hatten schon zuvor in mehr oder minder bedeutenden Kinostücken mitgewirkt.

Nein, ähnlich wie damals der Skistar Toni Sailer im Sport bescherte "Sissi" den Österreichern ein nationales Aufatmen im Unterhaltungsbereich. Knapp zehn Jahre zuvor einem mörderischen Krieg entronnen, der je nach Ansicht mit einer Befreiung oder einer Niederlage geendet hatte, tat es unendlich wohl, Szenen einstiger Größe serviert zu bekommen, die noch dazu in den schönsten Landstrichen der eigenen Heimat spielten. Bekanntlich hatte das Filmteam sogar Elisabeths Kindheitsgewässer, den Starnberger See, durch den Fuschlsee ersetzt.

Noch dazu war diese Sissi kein ruheloses, anorektisches Irrlicht wie das historische Vorbild. Und ihr fescher Franzl noch lange vom backenbärtigen Greis mit Mir-bleibt-auch-nichts-erspart-Miene entfernt, dessen Brief "An meine Völker" letztendlich jenen ersten großen Krieg auslösen sollte, der rund 17 Millionen Menschen vorzeitig das Leben gekostet hat.

Es war vor allem Romy Schneider, die nicht mehr die Seelenstreichlerin der Nation sein wollte. 1958 stieg sie aus und von dort an stetig auf. Sie sollte einer der wenigen wirklichen Kino-Weltstars österreichischer Herkunft werden, bevor sie 1982 tragisch früh verstarb.

Aber auch Karlheinz Böhm wollte weg aus Wien und der Wachau. Nach etlichen schnellen Heimatschmonzetten vertraute er sich dem britischen Regisseur Michael Powell an, mit dem er 1960 den Thriller "Peeping Tom" drehte. Böhm spielte darin einen scheinbar harmlosen Kameramann, welcher in der Tat ein psychopathischer Mörder ist, der die Todesangst seiner Opfer filmt.

Obwohl die englische Zensur noch vor der Premiere massiv Szenen geschnitten hatte, erregte "Peeping Tom" 1960 großes Aufsehen und erfuhr massive Ablehnung. Ironischerweise gilt er Cineasten heute als ein Meisterwerk des Genres, das mit den Werken Alfred Hitchcocks verglichen wird.

Für Karlheinz Böhm kam diese Rehabilitierung zu spät. Das Publikum, speziell in Österreich und Deutschland verzieh ihm nicht, dass er reale Kinokunst dem ewigen Leinwandkaisertum vorgezogen hatte, "Peeping Tom" wurde zu einem echten Karriereknick. Auch seine angestrebte Karriere in Hollywood stockte. Nur Rainer Werner Fassbinder zollte ihm Respekt und holte ihn noch für vier weitere Filme.

Aber die Kunst war ihm nun einmal in die Wiege gelegt: Als Sohn der Sopranistin Thea Linhard und des Taktstock-Titanen Karl Böhm 1928 in Darmstadt geboren, sollte er sein Leben auch der Musik weihen. Doch sein Talent als Pianist reichte nicht aus und er sattelte auf Schauspiel um. Mit Erfolg, wie wir heute wissen.

Mit Beziehungen hatte er offenbar weniger Fortüne: Seine insgesamt sieben Kinder stammen von vier Ehefrauen. Die letzte von ihnen, Böhms Witwe, ist die aus Äthiopien stammende Agrarexpertin Almaz Teshome-Böhm.

Womit wir bei jener Karriere angekommen wären, die Karlheinz Böhm doch noch einen Sonnenplatz in den Annalen der Menschheit beschert hat. Zur Ausheilung eines hartnäckigen Bronchienleidens hatten ihm seine Ärzte einen Aufenthalt in Kenia empfohlen. Dort angekommen, hielt es ihn nicht lange in seinem luxuriösen Hotel, er wollte mehr über das Land erfahren.

Dabei stieß Böhm auf eine für ihn bis dahin unvorstellbare Armut, die Eindrücke davon sollten ihn nicht mehr loslassen.

Als sich ihm 1981 die Chance bot, in einer "Wetten, dass . . ?"- Sendung das Thema darzulegen, wettete er, dass die Zuseher kaum bereit wären, für die damals besonders notleidende Sahelzone zu spenden. Alsbald trafen beim ZDF umgerechnet 600.000 Euro ein. Böhm fuhr damit selbst nach Afrika und kontrollierte die Verwendung. Aus dem Filmkaiser wurde ein Engel der Elenden. (Bitte lesen Sie dazu mehr auf den nächsten Seiten.)

Böhms Konzept sah vor, Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten, zentrales Zielgebiet wurde dann Äthiopien, wo er später seine vierte Ehefrau Almaz treffen sollte.

Die Initiative "Menschen für Menschen" wurde zum größten Projekt in Karlheinz Böhms Leben und ließ seine schauspielerische Vergangenheit fast in den Hintergrund treten. Er wurde mit Preisen überhäuft und auch äthiopischer Ehrenbürger. Die letzten Jahre verbrachte er, weitgehend dement, in Grödig in Salzburg, wo er am Donnerstag gestorben ist.

"Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze", konstatierte einst Friedrich Schiller. Dem Menschenfreund Karlheinz aber ganz sicher.