Die steirische Autorin Barbara Frischmuth ist am Sonntagnachmittag in Altaussee verstorben. Frischmuth war 83 Jahre alt und litt schon seit Längerem an einer schweren Erkrankung. Erst vor wenigen Wochen ist ihr letzter Erzählband „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“ erschienen.

„Es war für Barbara eine Erlösung“, sagt eine gute Bekannte, die noch am Sonntag auf Besuch bei der Schriftstellerin war. Frischmuth sei vor einigen Tagen noch ins Krankenhaus eingeliefert worden, dann aber wieder in ihr geliebtes Heim in Altaussee gebracht worden, wo sie von ihrem Ehemann Dirk Penner und einer Krankenschwester betreut wurde - und schließlich am Sonntag kurz vor 17 Uhr starb. Auch Tage zuvor waren noch Freunde und Bekannte im Haus, um sich von Frischmuth - die zuletzt nicht mehr ansprechbar war - zu verabschieden.

Anlässlich ihres 80. Geburtstages führte die Kleine Zeitung noch ein ausführliches Interview mit der Literatin. Bereits damals war der Tod ein Thema, das sie beschäftigte - aber offenbar nicht weiter beunruhigte. „Ich sterbe wahrscheinlich genauso ungern wie die meisten anderen Menschen“, sagte sie damals. „Aber es ist mir einfach klar, was jetzt kommen wird. Und jedes Jahr, das noch kommt, ist ein Geschenk, so banal das klingen mag.“ Und weiter: „Es wäre auch gelogen, wenn ich jetzt sagen würde, dass ich keine Angst habe vor dem Tod. Die große Frage ist, wie man stirbt.“

Auch Gedanken über ein „danach“ hat sich Barbara Frischmuth bereits damals gemacht. „Ist nach dem Leben alles vorbei?“, lautete die Frage. Frischmuths vielschichtige Antwort: „Für mich schon, ja. Natürlich geistern auch in meinem Kopf Danach-Szenarien herum. Aber die sind so viel heftiger und ausgedehnter als das, was die Religionen zu bieten haben. Das ist mir zu wenig und auch zu programmatisch.“

Orientalistik statt Hotelfachschule

Barbara Frischmuth wurde am 5. Juli 1941 in Altaussee geboren. Nach dem Tod ihres Vaters, der im Zweiten Weltkrieg in Russland fiel, wuchs sie bei ihrer Mutter auf, die in Altaussee bis Mitte der 1950er-Jahre das „Parkhotel“ führte. Die Lektüre von „Tausendundeine Nacht“ weckte in der Jugendlichen das Interesse am Orient, am Fremden und Anderen, dem sie stets weltoffen gegenüberstand. Sie besuchte nicht, wie vorgesehen, die Hotelfachschule, sondern studierte Türkisch, Ungarisch und später Orientalistik. Im stürmischen Biotop des „Forum Stadtpark“ fand sie dann ihre erste literarische Heimat, veröffentlichte Texte in der Literaturzeitschrift „manuskripte“. Lange Zeit musste sie sich als einzige Frau in der Literaturszene durchsetzen.

Andreas Unterweger, Herausgeber der „manuskripte“: „Mit Barbara Frischmuth verliert Österreich eine seiner größten Autorinnen, und wir bei den ,manuskripten‘ unsere älteste und treueste Freundin.“ Frischmuth habe die Zeitschrift seit ihrer Gründung vor 65 Jahren begleitet. „Mit Alfred Kolleritsch war sie sogar schon davor in engem Austausch. Sie gehörte jenem legendären Grazer Zirkel rund um die Urania an, dessen Mitglieder sich Ende der 1950er gegenseitig die von Schulen und Universitäten ignorierte modernere Literatur näherbrachten. Unterweger: „Barbara Frischmuth war ein bewundernswert mutiger Mensch. So verschaffte sie sich etwa schon im Teenager-Alter Respekt in den damals fast ausschließlich männlich dominierten intellektuellen Kreisen von Graz oder studierte mit nicht einmal Zwanzig – wiederum als einzige Frau – Türkisch in Erzurum in Ostanatolien.“ Alfred Kolleritsch, gestorben 2020, hat über seine langjährige enge Freundin einmal gesagt: „Mit ihrer Welt weitete sich auch die unsere aus.“

Im Jahr 1968 erschien Frischmuths hochgelobter Debütroman „Die Klosterschule“, in dem sie die autoritären Strukturen eines Mädchengymnasiums beschrieb. In den Jahren und Jahrzehnten darauf schuf Barbara Frischmuth ein umfangreiches Werk aus Romanen, Erzählungen, Theaterstücken, Essays - und natürlich Gartenbüchern. Ihre starke Verbindung zur Natur hat sie immer wieder in Bezug gebracht mit sozialen und politischen Entwicklungen und Umbrüchen. „Ich kann, auch als Gärtnerin, immer nur auf die Natur verweisen“, sagt sie im letzten Interview. „Wenn es keine Symbiosen gibt, ist Krieg in Sicht.“ Barbara Frischmuth – in der Heimat verwurzelt, aber stets offen für die Welt – hat immer wieder ihre Stimme erhoben für interkulturelle Verständigung. Auch das gelassen, aber mit großer Bestimmtheit.

Zahlreiche Auszeichnungen

Nach ihrem hochgelobten Debüt und dem Roman „Das Verschwinden des Schattens in der Sonne“ (1973) erzielte die Autorin vor allem mit der „Sternwieser-Trilogie“ (1976-1979, darunter „Die Mystifikationen der Sophie Silber“), in der sie sich intensiv mit der Verflechtung von mythologischen Traditionen und heutigen weiblichen Lebenswelten beschäftigte, und der „Demeter-Trilogie“ (1986-1990) Erfolge, in der sie trotz Beibehaltung ihres Verfahrens der vielfältigen Bezüge zu alten Mythen höchst aktuelle Themen aufgriff. Der auf die Erzählung „Herrin der Tiere (1986) folgende Roman “Über die Verhältnisse„ (1987) konnte - mit einem Bundeskanzler als zentraler literarischer Figur - als Schlüsselroman gelesen werden, “Einander Kind„ (1990) mit seinen darin enthaltenen Kriegs- und Nazi-Biografien als Aufarbeitung der Waldheim-Affäre. Herrschaftskritik ist einer der zentralen Aspekte von Frischmuths Schaffen.

Immer wieder hat die Autorin ihre Stimme erhoben, wenn statt Verständigung und Toleranz Terroranschläge oder Kriege interkulturelle Beziehungen beherrschen oder Flüchtlingspolitik sich nicht als humanitäre Hilfe, sondern als Abschottung herausstellt. Frischmuth erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis 1972, den Anton-Wildgans-Preis 1973 und den Franz-Nabl-Literaturpreis 1999. 2005 wurde sie mit dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln gewürdigt, 2011 folgte das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark, 2019 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und der Ehrenring des Landes Steiermark.

Reaktionen

Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Kultur und Politik würdigen die am Sonntag im Alter von 83 Jahren verstorbene Schriftstellerin Barbara Frischmuth. Folgend ein Auszug der Reaktionen:

Bundespräsident Alexander Van der Bellen via X (vormals Twitter):

Austrian President Alexander Van der Bellen speaks during the swearing-in ceremony of the Federal Government in the presidential office at the Hofburg Palace, in Vienna, Austria, Monday, March 3, 2025. (AP Photo/Denes Erdos)
Alexander Van der Bellen bezeichnet Frischmuth als einfühlsam und aufmerksam © AP/Denes Erdos

„Mit Barbara Frischmuth hat Österreich eine seiner einfühlsamsten, aufmerksamsten Schriftstellerinnen verloren. Die Weitgereiste blieb eng mit ihrer Heimat Altaussee verbunden, die Liebe zu fremden Kulturen wie zur eigenen Herkunft verstand sie sprachgewaltig zu verbinden. Und nicht zuletzt war Barbara Frischmuth eine Autorin, die früh schon einen respektvollen Umgang mit der Natur einforderte. Ihr Werk wird fester Bestandteil des literarischen Kanons bleiben.“

Klaus Kastberger (Literaturhaus Graz) gegenüber der APA:

ABD0059_20240627 - KLAGENFURT - ÖSTERREICH: Juryvorsitzender Klaus Kastberger am Donnerstag, 27. Juni 2024, anl. des ersten Lesetages im Rahmen der
Klaus Kastberger: Frischmuths Leben und Schreiben war von Haltung geprägt © APA / Gerd Eggenberger

„Barbara Frischmuth war eine der ersten und wichtigsten Frauen, die es im Umfeld der österreichischen Avantgarde zu Anerkennung gebracht hat. Die sanft wirkende, dabei aber immer absolute unnachgiebige Art und Weise, in der sie das mit der Art ihres Schreibens geschafft hat, nötigt dem deutschsprachigen Literaturbetrieb bis heute höchsten Respekt ab. Mit ihrem Roman “Die Klosterschule‘ hat sie dem emanzipatorischen Schreiben eine breite und neue Leserschaft erschlossen.

Viele außergewöhnliche Bücher, die auch andere kulturelle Räume verständlich gemacht haben, sind dem nachgefolgt. Frischmuths Leben und Schreiben waren von Haltung geprägt. Es war eine große Freude, mit ihr zu sprechen und sie als eine höchst markante Person zu erleben. Ihr Werk gehört zum Besten, was die österreichische Literatur hervorgebracht hat. Auch der österreichischen Politik hat sie ihre Meinung gegeigt. Sie fehlt uns gerade auch in diesen Zeiten sehr.“

Gerhard Ruiss (IG Autorinnen Autoren) in einer Aussendung:

Plattform-Mitbegründer Gerhard Ruiss (hier 2019)
Plattform-Mitbegründer Gerhard Ruiss (hier 2019)
| Gerhard Ruiss © APA/HERBERT PFARRHOFER

„Mit großem Schmerz verabschieden wir uns von unserem Mitglied Barbara Frischmuth. Sie war und bleibt eine ebenso bedeutende Autorin wie sie eine jahrzehntelange Stütze für alle sozialen Anliegen und Angelegenheiten der Literatur war. (...) Mit ihr verlieren wir eine der prominentesten Stimmen gegen Intoleranz, Hass und Krieg.“

Claudia Romeder (Leiterin des Residenz Verlags) in einer Aussendung:

„Barbara Frischmuth war ein ganz besonderer Mensch. Ihr Blick auf die Welt war offen und feinfühlig, ihr literarisches Werk war von außergewöhnlicher Tiefe und Vielfalt. Ich schätzte sie wirklich sehr und ihr Tod ist für uns alle ein großer Verlust.“

Aufbau-Verlag in einer Aussendung:

„Wie keine andere deutschsprachige Autorin brachte sie den Leser:innen die islamische Welt auf epische, poetische und kritische Weise näher, plädierte für Toleranz und Vorurteilslosigkeit.“

Werner Kogler (Grüner Kultursprecher) via X:

20250325 PK Die Gruenen - Plenar-Vorschau und Aktuelles WIEN, OESTERREICH - 25. MAERZ: Die Gruenen Abgeordneter zum Nationalrat, Bundessprecher, Klubobmann und Sprecher fuer Kunst und Kultur Werner Kogler waehrend der Pressekonferenz zur Plenarvorschau und Aktuellem im Presseraum der Gruenen am 25. Maerz 2025 in Wien, Oesterreich. 250325_SEPA_17_013 Copyright: xIsabellexOuvrardx SEPAxMedia
Werner Kogler © IMAGO/Isabelle Ouvrard

„Sie hinterlässt ein vielseitiges literarisches Werk, das uns über ihren Tod hinaus begleiten wird.“

Steirischer Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) via Aussendung:

ABD0059_20250201 - LEIBNITZ - ÖSTERREICH: Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) während einer Pressekonferenz anl. der Klausur der neuen Steirischen Landesregierung am Samstag, 01. Februar 2025, im Schloss Seggau in Leibnitz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Mario Kunasek © APA / Erwin Scheriau

„Mit dem Ableben von Barbara Frischmuth verliert die Steiermark eine bedeutende Persönlichkeit unseres Landes. In vielen Bereichen ihres schriftstellerischen Wirkens war sie Vorreiterin und zeitlebens dafür bekannt, Brückenbauerin zu anderen Kulturen zu sein. (...) Das Land Steiermark wird ihr stets ein ehrendes Andenken bewahren.“

Steirischer Kulturlandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP) via Aussendung:

Karlheinz Kornhäusl
Karlheinz Kornhäusl © Jürgen Fuchs

„Ihre Romane, Erzählungen, Theaterstücke und ihre Geschichten zum Hören, zum Lesen und zum Schauen sind gewichtige Teile der österreichischen Literaturlandschaft, sie prägen die österreichische Kulturlandschaft und wirken weit über die Grenzen hinaus. Ihr Verlust hinterlässt gleichermaßen eine Lücke, denn mit ihrer unverwechselbaren Stimme und ihrem tiefen Verständnis für die menschliche Seele hat sie generationenübergreifend - nicht nur literaturaffine - Menschen inspiriert.“