Anders als in den Vorgenerationen ist bei den ab 1960 Geborenen nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Frauenerwerbsquote höher. Manche sind vielleicht schon in Frühpension, aber dieser Effekt hat eher die 1950er-Jahrgänge betroffen. Heute ist die Zeit der „Golden Handshakes“ und der vorzeitigen Verdrängung der älteren Arbeitskräfte größtenteils vorbei.

Die „Angleichung des realen Pensionsantrittsalters an das gesetzliche“ trägt langsam Früchte. Dies nicht nur aus budgetären Gründen, sondern auch aus demografischen: Der kommende Arbeitskräftemangel ist schon spürbar. Er hat das Bewusstsein für den Wert erfahrener Mitarbeiter zwangsläufig erhöht. Eine 2018 erschienene Broschüre der Wirtschaftskammer rät zur „Generationenbalance“ und warnt Firmen davor, sich vorzeitig ihrer Alten zu entledigen: Das könnte sich nämlich schon bald rächen.

Denn die Altgedienten werden nicht ewig weitermalochen. Der fast schlagartige Übertritt der deutlich größten Alterskohorte vom Beruf in den Ruhestand wird nicht nur das Sozialnetz auf eine harte Probe stellen, sondern auch die Arbeitswelt auf den Kopf.


Dazu ein kurzer Rückblick: Vor 40 Jahren, als die jetzt vor dem Abschied stehende Personengruppe ihre ersten Monatsgehälter verdiente, war vieles ganz anders gewesen. Die Schulabgänger stießen auf einen weitgehend gesättigten Arbeitsmarkt. Die Aufbaugeneration hatte nach dem Zweiten Weltkrieg zwar einen erstaunlich verlässlichen Wohlstand erschaffen, aber die Zukunftsperspektiven waren schon brüchig. Der Ölschock von 1973 und die Wachstums­skepsis des „Club of Rome“ erschütterten die eben erst etablierte ökonomische Gewissheit, dass mit Fleiß und Beharrlichkeit immer mehr Wohlstand angehäuft werden kann.


Die damit verbundenen Widersprüche sind freilich nicht neu. Der Kampf „Arbeitsethos gegen Faulheitsanspruch“ ist mindestens so alt wie die arbeitsteilige Gesellschaft. Er begegnet uns schon im antiken Griechenland, wo die philosophische Muße als höchster Sinn des Lebens galt. Der französische Sozialist Paul Lafargue sah vor 150 Jahren drei Stunden tägliche Arbeit als angemessen, der britische Philosoph Bertrand Russell konnte sich immerhin vier Stunden Tagesarbeit vorstellen.

Heute sind wir hin- und hergerissen zwischen allen Polen. Es gibt Fantasien einer digitalisierten Welt, in der vernetzte Roboter arbeiten und wir nur mehr den Wohlstand verbrauchen. Es gibt aber die Realität zunehmender Arbeitskräfteknappheit, weil Ärzte, Lehrer, Pflegekräfte verzweifelt gesucht werden. Sogar Fernfahrer werden heute an Autobahnraststätten von Headhuntern zur Konkurrenz abgeworben, obwohl doch angeblich gerade dieser Beruf bald stirbt.
Sicher ist: Wir stellen uns auf turbulente Zeiten ein, weil nicht nur die Halbwertszeit des Wissens, sondern auch die Planbarkeit des Arbeitskräftebedarfs rasch sinkt. Die vielen Alten, die heute noch täglich zur Arbeit gehen, sind in diesem Tohuwabohu die Türme in der Schlacht. Ihre jahrzehntelang gewachsene Routine und das gefestigte Erfahrungswissen helfen ihnen, die Unplanbarkeit zu bewältigen.

Die Jüngeren tun gut daran, von diesem Beispiel rasch zu lernen. Bald schon, wenn die Abschiedsfeiern der Jungpensionisten in den Büros verklingen, steht die Nachfolgegeneration voll im Fahrtwind. Sie sind weniger, sie sind jünger und ihre Erwerbsbiografien sind brüchiger. Aber sie können Sprachen, sind global interessiert und häufig international vernetzt. Kein Zweifel: Sie werden neue Herausforderungen auf neue Art bewältigen.