Wer heute eine Ausbildung in einem Beruf beginnt, dem stehen viele Wege offen. Eines ist jedoch klar: Eine hervorragende Grundlage dafür bietet die Lehre. Denn Fachkräfte sind in der Wirtschaft gefragt – und sie werden in Zukunft noch um vieles gefragter werden. Denn die Zahl der Jugendlichen sinkt, und durch diesen demographischen Wandel ergeben sich wiederum neue Chancen für gut ausgebildete Fachkräfte. Drei Experten – Elisabeth Meixner, Präsidentin des steirischen Landesschulrats, Gottfried Krainer, Leiter der Lehrlingsund Meisterprüfungsstelle in der Wirtschaftskammer Steiermark, und Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk – geben Antworten auf Fragen rund um das Thema Lehre.

Früher haben die Jungen oft gehört "Wenn du nicht brav lernst, musst du eine Lehre machen!" Heute ist die Lehre ein Garant für beruflichen Erfolg. Was hat sich geändert?
HERMANN TALOWSKI: Die Lehre ist insgesamt attraktiver geworden, und sie verliert allmählich ihr Image, nur zweite Wahl zu sein. Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon ist sicher die Ausbildung in der Praxis, denn die steht vom ersten Tag an auf dem Programm. Und die Ausbildung ist immer aktuell, weil ja auch die ausbildenden Unternehmen mit der Zeit gehen müssen. So entstehen immer wieder neue Module oder sogar ganz neue Berufe. Die Lehre ist immer am Puls der Zeit.
GOTTFRIED KRAINER: Ein Blick auf Zahlen zeigt, dass die Lehre hoch im Kurs steht: Fast jeder zweite Jugendliche in der Steiermark macht eine Lehre. Für die Lehre spricht auch die Entwicklung der Bevölkerungszahlen: Es gibt immer weniger Jugendliche. Heute beträgt die Zahl der 15-Jährigen in der Steiermark 12.174, im Jahr 2020 werden es nur mehr 11.174 sein – also um 1000 weniger! Das ist natürlich auf den ersten Blick alarmierend, aber es ist für Lehrlinge eine große Chance: Denn dadurch steigt der Wert der Aktie namens "Lehre".
ELISABETH MEIXNER: Unser duales Modell hat noch eine Besonderheit: Es kombiniert die Praxis mit einer fundierten theoretischen Ausbildung. 20.000 junge Steirer besuchen derzeit die Berufsschule. Dort erwerben sie ein solides Fundament an Allgemeinbildung, sprachliche Fähigkeiten und Soft Skills, die im modernen Berufsleben immer wichtiger werden.

Viele Jugendliche sind unschlüssig bei ihrer Berufswahl. Was raten Sie ihnen?
MEIXNER: Berufsorientierung ist besonders an den Neuen Mittelschulen, Hauptschulen und Polytechnischen Schulen fixer Bestandteil des Unterrichts. Unser Ziel ist es, jungen Leuten die ganze Vielfalt der Ausbildungsmöglichkeiten nahezubringen. An den weiterführenden Schulen bieten wir in Kooperation mit Vertretern der Wirtschaft und dem AMS Orientierungshilfe.
TALOWSKI: Wichtig ist, sich gut und vor allem rechtzeitig zu informieren. Die Sparte Gewerbe und Handwerk, mit 8100 Lehrlingen der mit Abstand größte steirische Ausbildner, hat zum Beispiel ein eigenes Informationsprogramm ins Leben gerufen. Die Kampagne "Helle Köpfe – geschickte Hände" geht direkt in die Schulen und stellt Lehrberufe vor.
KRAINER: Die Angebotspalette bei den Lehrberufen ist groß und vielfältig. Wichtig ist aber, dass die Wahl des Berufs mit den persönlichen Interessen und Fähigkeiten übereinstimmt. Dann ist in weitere Folge so gut wie alles möglich. Denn unser System ist transparent und durchlässig. Wer einen Lehrabschluss hat, dem stehen – vom Meister bis zur Matura mit Hochschulstudium – alle Türen offen.

"Karriere mit Lehre" ist also wirklich mehr als ein Slogan?
KRAINER: "Karriere mit Lehre" ist gelebte Realität. Man sieht das nicht nur an den österreichischen Erfolgen bei den internationalen Berufsmeisterschaften, sondern auch daran, dass viele Führungskräfte mit einer Lehre begonnen haben. Eine Lehre ist einfach eine sehr gute Ausgangsposition für eine Karriere.
MEIXNER: Und sie ist ein offenes System, das viel ermöglicht. Das Modell "Lehre mit Matura" zum Beispiel ist mittlerweile schon ein etablierter Ausbildungsweg, den zurzeit rund 1.800 junge Menschen eingeschlagen haben. Sie schaffen damit noch bessere Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben. Ein besonderes Anliegen ist mir aber auch die Lehre nach der Matura.
TALOWSKI: Nicht zu vergessen die Meisterprüfung! Denn damit bekommt man auch das Rüstzeug mit, um selbst ein Unternehmen zu gründen und Lehrlinge auszubilden. Dann schließt sich der Kreis: Know-how wird an die nächste Generation weitergegeben, und die wirtschaftliche Zukunft der Steiermark ist gesichert.