Es ist schon eine Umstellung, wenn du plötzlich voll im Arbeitsleben stehst. Die ersten zwei Wochen war ich fix und fertig.“ Wenn Alexander Niegelhell heute auf den anstrengenden Beginn seiner Lehre vor sechs Jahren zurückblickt, muss er dennoch schmunzeln. Umstellung wurde in weiterer Folge zum leichtfüßigen Dogma, ständiger Veränderungswille zeichnet den zielstrebigen Facharbeiter nach wie vor aus. Im Juli 2016 mündet der Tatendrang in der Meisterprüfung, die er mit Auszeichnungen in allen drei Modulen ablegt. Alexander Niegelhell ist zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre jung und der jüngste Mechatroniker-Meister der Steiermark. 60 Prozent all jener, die zur Prüfung antreten, fallen im ersten Anlauf durch.

Zeitsprung. Mit 15 beginnt der Junge aus Heiligenkreuz am Waasen beim Grazer Unternehmen Anton Paar, einem angesehenen Spezialisten von hochwertigen Labormessgeräten, die Lehre als Zerspanungstechniker. Alexander Niegelhell entscheidet sich nach dem Polytechnikum also für jenen Beruf, den auch schon sein Vater lernte. Ein Unterschied: Damals nannte man den Beruf noch Maschinenschlosser, die Liebe zur Metallbearbeitung blieb dieselbe. Bei Anton Paar, einem Familienunternehmen und Weltmarktführer mit hoher Exportquote, findet er ein fruchtbares Lehr-Umfeld, arbeitet in der Produktion mit und etabliert sich rasch.

Was wohl auch ein Zeichen eines Auswahlverfahrens ist, das sich Anton Paar im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben, die über Lehrlingsmangel klagen, leisten kann. 63 Lehrlinge werden im Südwesten von Grazer mittlerweile ausgebildet, inhaltlich reicht die Palette von der Elektronik über die Zerspanungstechnik bis hin zur Glas­instrumenteerzeugung und der IT-Technik. Für die alljährlich zwölf bis 16 neu dazukommenden Lehrstellen gibt es 500 Bewerber. „Die drei Schnuppertage sind für uns am wichtigsten“, erklärt Christian Krispel, der die Ausbildung der Zerspanungstechniker verantwortet. Das standardisierte Arbeiten an den Übungsstücken lässt die Verantwortlichen schnell ein Gefühl entwickeln, wer gut in den Betrieb passen könnte und wer nicht. Ein Aufnahmetest gilt schließlich als „letzte Hürde“ – möglichst früh sollen angehende Lehrlinge und deren Eltern wissen, ob es gereicht hat oder nicht, darum werden erste Lehrplätze bereits im Dezember fix vergeben, Lehrbeginn ist seit jeher Anfang September im Folgejahr. Das ausgefeilte Prozedere scheint sinnvoll: Die Übernahmequote der Ausgelernten zu Angestellten des Unternehmens ist ein paar Jahre später fast 100 Prozent.

Alexander Niegelhell, privat ein begeisterter Sportschütze, verfolgt präzise dieses Ziel. Chancen, die ihm der Betrieb ermöglicht, nutzt er klug aus. Zum Ende des zweiten Lehrjahres verschlägt es den jungen Steirer ins dänische Sønderborg. Bei Dymatec fertigt Niegelhell Serienteile für Hydraulikanlagen. Die Firma ist klein, der Erkenntnisgewinn umso größer. Das Schulenglisch wird um Fachbegriffe angereichert, das Fernsein von der Heimat lässt die Persönlichkeit reifen. Auch das Umfeld im Betrieb scheint harmonisch, das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Lehrlingen forciert man bei Anton Paar bewusst. Im Winter wird gemeinsam Ski gefahren, im Sommer diskutieren die jungen Fachkräfte in Workshops über Branchenfremdes, aber Horizont­erweiterndes. „Gefahren aus dem Internet“ ist nur eines der kontroversiellen Themen.
„Es sind richtig gute Freunde dabei“, sagt Niegelhell heute über die Alterskollegen, „wir gehen auch privat was zusammen an.“ Das Verhältnis zu den Ausbildern scheint freundschaftlich bis professionell und jedenfalls verständnisvoll. Symptomatisch für das Funktionieren des Systems Anton Paar: Ausbilder Christian Krispel ging einen ähnlichen Weg wie sein vormaliger Lehrling Alexander Niegelhell. 1994 mit der Lehre gestartet, schloss auch Krispel schnell einen Meister an und holte sich anschließend die Ausbilderprüfung.

Die Befähigung, das Erlernte weiterzugeben, darf mittlerweile auch Alexander Niegelhell in sein breit gefächertes Portfolio einsortieren. Was auch zu einer familiär interessanten Konstellation führt. Im Betrieb lernt nämlich heute auch der jüngere Bruder – teils unter der Ägide des älteren. Alexander mit verschmitztem Lächeln: „Er is recht brav, aber manchmal hab ich mit ihm vielleicht direkter gesprochen als mit anderen.“ Apropos direkt: Die Ausbildungskarriere von Alexander Niegelhell – Lehrling, Meister, Ausbilder – könnte bald ausgeweitet werden. Weil das Handwerk aufgewertet wurde und der Meister nun bald auch auf akademischer Ebene mehr zählen könnte, sei ein Studium „gar nicht mehr abwegig“. Auf der Karriereleiter wäre es für den passionierten Berg­läufer der nächste Sprint nach oben.