Die Ideen kommen über Nacht. Sie rattern und arbeiten in Karin Krahl-Wichmanns Kopf wie eine ihrer Nähmaschinen. Wenn sie eine neue Kreation im Kopf hat, muss sie gleich umgesetzt werden. Wie die Steckhütchen etwa (Fotos) - eine Neuinterpretation des Trachtenhuts -, die in stundenlanger Arbeit von Hand gefertigt werden. Vorgezeichnet wird nichts - alles entsteht im Kopf und um den geht es ja auch. Die Grazerin setzt auf traditionelle Hutmacherkunst. Ihre Werkstatt ist ein Gewirr aus Bändern, Stoffen, Scheren und Maschinen. Viel zu groß für eine einzige Person - früher waren hier fünf Angestellte am Werk. Von außen ist das Geschäft kaum zu sehen, so finster ist die Fassade in der Wickenburggasse. Doch im Inneren kann von angestaubt keine Rede sein - das liegt vor allem an der Energie und Leidenschaft der Betreiberin. Karin Krahl-Wichmann lebt für ihre Hüte. Vielleicht gerade, weil sie die "Letzte" ihrer Art ist. Die letzte Hutmacherin von Graz - eine von nur mehr dreien in der Steiermark. Dabei gab es vor rund 30 Jahren noch etwa 30 Hutgeschäfte in der Landeshauptstadt.

1000 Stück Handwerkskunst

Mit Schwung stülpt die zweifache Mutter einen nassen Stoff auf eine handgedrechselte Hutform. Etwa 1000 Kopfbedeckungen entstehen hier im Laufe eines Jahres - vorwiegend Trachtenhüte. Dabei stand der Fortbestand des Traditionsbetriebs einmal auf Messers Schneide.

"Beim Papa" hat Karin Krahl-Wichmann gelernt, nachdem sie die Modeschule am Ortweinplatz abgeschlossen hat, auch er begann als Lehrling bei der Familie Kepka und übernahm den Betrieb in den 80ern. Hätte sie sich nicht kurzerhand entschlossen, ihn weiterzuführen, wären die Hutmacher in Graz wohl ausgestorben. Denn anfangs zeigte sie kein Interesse am Betrieb und der Vater begann bereits damit, die unersetzbaren "handgedrechselten Lindenholzmodelle einzuheizen", erinnert sich die Grazerin. "Aus Stolz", sagt sie. "Anfangs habe ich ihn nicht verstanden, aber heute würde ich es genauso machen, wenn der Betrieb nicht mehr funktionieren würde."

Den Großteil des Tages verbringt die 30-Jährige im hinteren Teil und im Keller der Hutmanufaktur - an den Pressen, Nähmaschinen, Wassertanks, Dampfanlagen und anderen Geräten, die für die Herstellung der Kopfbedeckungen gebraucht werden. Einige davon sind ebenso alt wie der Betrieb - 102 Jahre. Über die Zeit wurden hier rund 400.000 Hüte gefertigt.

Mit den Trockenzeiten braucht es heute wie damals etwa einen Tag, bis ein Ausseer-Hut fertig ist. Maßgeschneiderte Qualität, die hält. Denn die "billigen Trachtenhüte aus China", über die sich Karin Krahl-Wichmann nicht genug ärgern kann, verlieren irgendwann die Fasson, lassen die Ränder hängen. Ein trauriges Sinnbild für mangelnden Respekt gegenüber alter Handwerkskunst.

Herzblut

Lehrling kann sie keinen ausbilden - dafür ist das Geschäft zu großen Schwankungen unterworfen. "Leider, aber mir täte das Herz weh, müsste ich die Ausbildung wegen schlechter Zahlen abbrechen", sagt Krahl-Wichmann.

Während ihre Mutter die beiden Kinder bekocht, näht die Grazerin, zur Presse- und Marketingarbeit kommt sie kaum - "die steckt derzeit noch in den Kinderschuhen", dafür fehlt es in dem EPU an Zeit. "Ich bin auch nicht der Typ, der sich hinstellt und sagt: Schaut her, was ich Schönes mache", sagt Krahl-Wichmann. Neues postet sie auf Facebook. Gerade hat sie eine erfolgreiche Kooperation mit Sportalm beendet, für das neue "roomz"-Hotel in Graz zur Eröffnung ein Zimmer mit Hüten ausgestattet. Eine geschäftige Zeit, für Träume bleibt immer Platz, etwa von Pop-up-Stores, Präsentationen in München - und neuen kreativen Ideen.