„Wer das Konklave als Papst betritt, kommt als Kardinal wieder heraus.“ Diese Vatikan-Weisheit sollte man auch jetzt wieder berücksichtigen, wenn es darum geht, den Nachfolger von Papst Franziskus zu bestimmen. Das Prozedere beginnt mit den wichtigen, informellen Kardinalsversammlungen, genannt Kongregationen. Derzeit gibt es rund 250 Kardinäle in der katholischen Kirche, viele von ihnen dürften sich bald im Vatikan über die Situation der Kirche im Allgemeinen, über das Profil des nächsten Papstes und dann auch in Einzelgesprächen über die passenden Namen beraten. Wahlrecht und Zugang zum Konklave haben allerdings nur die 138 Kardinäle, die unter 80 Jahre alt sind.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin

Der meistgenannte Kandidat für die Nachfolge des Papstes ist Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Der 70-Jährige ist Italiener und stammt aus Vicenza im Veneto. Als er zehn Jahre alt war, starb sein Vater bei einem Autounfall. Parolin ist ein weltweit anerkannter Diplomat und Architekt des umstrittenen Abkommens zwischen dem Vatikan und China über Bischofsernennungen. Kritiker behaupten, die Kirche würde hier gemeinsame Sache mit dem kommunistischen Regime in Peking machen. Parolin war Zeit seines Lebens als Kirchendiplomat tätig und wurde von Franziskus 2014 zum Kardinal ernannt. Damals machte Franziskus den Norditaliener zu seinem Kardinalstaatssekretär, dem zweitwichtigsten Mann im Vatikan.

Parolin steht dem Argentinier pastoral und weltanschaulich nahe. In dieser Hinsicht würde der Italiener einerseits eine Fortführung des Kurses unter Franziskus garantieren mit einem weniger moralisch strikten, sondern gerne als barmherzig bezeichneten Umgang mit den Menschen. Parolin ist Italiener, blickt mit seiner Diplomatenerfahrung aber weit über den römischen Tellerrand hinaus. Er gilt als Pragmatiker, nicht als Ideologe. Die auch für einen Papst bedeutende pastorale Erfahrung, also als Diözesanbischof im Umgang mit Gläubigen, hat Parolin nicht. Das könnte für viele Kardinäle ein Hinderungsgrund sein, ihn zu wählen.

Die Dynamiken eines Konklave sind von außen nur schwer durchschaubar, ergeben sich oft auch erst in den Beratungsrunden der Kardinäle. Viele Blicke werden dabei auch auf Luis Antonio Tagle aus Manila ruhen. Tagle gilt als „asiatischer Franziskus“, strahlt immer Fröhlichkeit aus, steht für den aufstrebenden asiatischen Katholizismus. Tagle hat ein Händchen für die Menschen, war lange Erzbischof von Manila. Franziskus holte ihn 2019 in den Vatikan als Chef der wichtigen Evangelisierungsbehörde. Auch er steht für den pastoralen, menschennahen und nicht auf Morallehre fokussierten Kurs von Franziskus. Sein größtes Problem: Mit 67 Jahren wäre er noch recht jung für einen Papst. 

Progressiv geltender Kardinal

Ein weiterer als progressiv geltender Kardinal und Kandidat ist der Erzbischof von Bologna, Matteo Zuppi (69). Er ist Exponent der römischen Laiengemeinschaft Sant‘Egidio, die sich der Hilfe für Arme verschrieben hat. Franziskus könnte sich Zuppi wohl gut als seinen Nachfolger vorstellen. Die Frage ist, welche Linien die Kardinäle im Vorkonklave zeichnen. Beispielsweise könnte ein breites Bedürfnis artikuliert werden, nach Franziskus nicht wieder einen so progressiven und unberechenbaren Papst zu wählen, sondern einen Vermittler, der die zerstrittenen Lager in der Kirche befriedet. Christoph Schönborn aus Wien wäre so ein Kandidat gewesen, er ist aber bereits 80 Jahre alt. Kardinal Anders Arborelius aus Stockholm oder Jean-Marc Aveline, Erzbischof von Marseille, gelten als solche Männer.

Die konservative Fraktion hofft, mit einem ihrer Kandidaten wieder Ordnung in das moralische Gerüst zu bringen. Der Ungar Peter Erdö galt schon 2013 als ein zuverlässiger Konservativer, ebenso wie Brasiliens Odilo Scherer. Der wohl nicht in Erfüllung gehende Traum der Konservativen wäre eine Wahl von afrikanischen Hardlinern wie Robert Sarah oder dem Erzbischof von Kinshasa, Fridolin Besungu. Gut möglich, dass es auch diesmal wieder eine Überraschung gibt. Franziskus hat knapp 80 Prozent aller Kardinäle ernannt, viele kommen aus entferntesten Ecken der Welt und kennen sich gegenseitig kaum. Das Vorkonklave wird deshalb auch ein großes Kennenlernen.