Die Umbauarbeiten im Flüchtlingscamp Lipa, in Bihać, Bosnien-Herzegowina, stoßen auf Kritik. In zwölf isolierten Containern, hinter einem Sechs-Meter-Zaun, soll ein Abschiebezentrum für Migranten entstehen.

Hinter dem Bau steckt das ICMPD, das Internationale Zentrum für Migrationspolitik. Mitglieder der Initiative SOS-Balkanroute, eine nicht staatliche Non-Profit-Organisation, warfen dem Institut und dessen Generaldirektor Michael Spindelegger (ÖVP) vor, ein "Gefangenenlager" mitten in Bosnien errichten zu wollen. Finanziert mit österreichischem Steuergeld.

Spindelegger dementiert Vorwürfe

Spindelegger wies die Vorwürfe zurück. Er spricht von einer "geschlossenen Einrichtung". Dorthin sollen Personen hinkommen, die für andere Bewohner im Camp eine Gefahr darstellen. Das Geld für den Bau kommt ausschließlich aus der EU, heißt es von ICMPD. Das Innenministerium hat laut eigenen Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) rund 820.000 Euro für den Ausbau der Strom- und Wasserversorgung zur Verfügung gestellt sowie in die Beschaffung von 71 Wohn- und Schlafcontainern investiert, nicht aber in den Bau eines möglichen Abschiebezentrums.

"Menschenrechtsverletzung und mangelnde Transparenz"

Grüne und SPÖ aber üben Kritik. Sie sprechen von "Menschenrechtsverletzungen und mangelnder Transparenz". Die Grüne Außenpolitik-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic besuchte am Donnerstag das Camp im Rahmen einer Bosnien-Reise: "Es sieht wie ein eigenes Camp aus, das vom Rest isoliert ist. Dort sollen Flüchtlinge hingebracht werden, die eine 'Bedrohung für die Sicherheit' darstellen. Man weiß aber nicht, wer diese Personen sind und wer sie dorthin bringt.

Ernst-Dziedzic vermutet, es handle sich dabei um Migranten, die in Kroatien aufgegriffen und dort festgehalten werden. ICMPD betont indes nur für die Errichtung des Zentrums verantwortlich zu sein, der Betrieb fällt in die Zuständigkeit der bosnischen Behörden.

Bosnische Behörden erhielten keine Information

Vom Bau selbst sollen die örtlichen Behörden erst im Nachhinein erfahren haben, wie Elvedin Sedić, Bürgermeister der Stadt Bihać, gegenüber der Kleinen Zeitung bestätigt: "Wir waren nicht erfreut darüber und hätten es begrüßt, von Anfang an informiert zu werden." Das ICMPD dementiert das: "Wir hatten keine Verpflichtung, den Bürgermeister zu informieren. Auftraggeber des Zentrums ist das bosnische Sicherheitsministerium."

Der Premier des bosnischen Kantons Una-Sana erhebt schwere Vorwürfe gegenüber der EU. Geht es nach Mustafa Ružnić, wäre das Camp so nie gebaut worden. Und: "Was uns am meisten verwirrt hat, war der Aufbau einer Haftanstalt im Camp Lipa, weil das ursprünglich nicht vereinbart worden war", sagte er gegenüber Ernst-Dziedzic. 

"Wir wissen, dass keine Baugenehmigung für eine Haftanstalt im Camp Lipa erteilt wurde", so Ružnić. Für den Betrieb einer solchen Anstalt müsse außerdem erst die gesetzliche Grundlage in Bosnien geschaffen werden.

"Wir haben die Information, dass die Anstalt erst in Betrieb geht, wenn es die betreffenden bosnischen Gesetze dafür gibt." Der Sicherheitsminister habe die rechtliche Grundlage für die Anstalt angekündigt, die zwölf Einheiten für 24 Personen umfassen solle.

"Dafür, dass die kroatische Polizei die Menschen zu uns bringt, wird es einen Befehl geben", mutmaßt Ružnić. Kroatien könne ja wie Bosnien auch Transitland sein. "Tagtäglich werden Geflüchtete über Schengen zu uns geschickt, von der kroatischen Polizei zu uns gepusht, erreichen uns Bilder von Folter. Und Millionen werden ausgegeben. Ist das ein gutes System?", sagt Ružnić. "Wir und die Geflüchteten sind Opfer der internationalen Politik", sagt er gegenüber der APA.

Das Zentrum diene als "temporäre Lösungsmaßnahme". Der Gewahrsam darf laut Sedić höchstens sechs Stunden dauern, so sieht es die aktuelle Rechtslage in Bosnien-Herzegowina vor. Danach sollen die dort untergebrachten Personen ins Flüchtlingszentrum nach Sarajevo überführt werden. Spindelegger spricht von 72 Stunden – solange dürfe man die Flüchtlinge in Lipa festhalten. Laut Ernst-Dziedzic soll momentan ein Antrag im Parlament aufliegen, der auf eine Erhöhung der Stunden abzielt.

Im Flüchtlingscamp Lipa leben derzeit 220 Personen. Es liegt etwa 25 Kilometer südöstlich von Bihać und war im Sommer 2020 errichtet worden, um auf der Balkanroute hängen gebliebene Migranten aus dem Zentrum der nordbosnischen Stadt wegzubekommen. Aufgrund vorherrschender Zustände musste das Camp im Herbst von der IOM vorübergehend geschlossen werden. Hunderte Migranten wurden so obdachlos und irrten im tiefsten Winter in der Gegend herum, was international großes Aufsehen erregte. Ende 2020 stecken Unbekannte das Lager in Brand. Anfang 2021 wurde ein neues Camp mit einer Kapazität von 1500 Personen errichtet.