Mehrere Tausend Menschen – unter ihnen die Klimaaktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer – haben am Samstag für den Erhalt des Dorfes Lützerath im nordrhein-westfälischen Braunkohlerevier und den Stopp des Kohleabbaus demonstriert. Die schwedische Aktivistin warf Deutschland vor, "einer der größten Klimasünder weltweit" zu sein. Sie rief zum anhaltenden Widerstand auf. "Wir haben nicht vor, aufzugeben. Solange die Kohle im Boden ist, ist dieser Kampf nicht vorbei."

Nach Angaben der Polizei fanden sich rund 6000 Demonstranten im Nachbarort Keyenberg ein und machten sich auf den Weg nach Lützerath. Klimaaktivisten skandierten "Lützi bleibt, Lützi bleibt, Lützi, Lützi, Lützi, bleibt, bleibt, bleibt" und "RWE enteignen."

Stimmung bei Demo zunehmend aufgeheizt

Am Rande einer großen Demonstration gegen den rheinischen Braunkohletagebau hat sich die Stimmung am Samstag zunehmend aufgeheizt. In angespannter Atmosphäre standen sich am Nachmittag Hunderte Polizisten und Hunderte Demonstranten unmittelbar vor dem Dorf Lützerath gegenüber. Aus den Reihen der Demonstranten erklang immer wieder der Ruf "Auf nach Lützerath! Auf nach Lützerath!"

Ein Polizeisprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir stehen mit dem Rücken zum Zaun. Hinter uns stehen die Wasserwerfer. Die Androhung ist erfolgt, dass die Wasserwerfer eingesetzt werden. Jetzt müssen wir abwarten, was passiert." Die Demonstranten erhielten derzeit immer noch weiteren Zulauf. "Wir wenden jetzt schon unmittelbaren Zwang an, wenn Leute in die Richtung gehen." . Die Beamten setzten Wasserwerfer und Schlagstöcke ein.

Ein Teil der Demonstranten versuchte, nach Lützerath zu gelangen oder in das Tagebaugebiet durchzukommen. Die Polizei drängte sie gewaltsam zurück. Bis zur Tagebaukante zu laufen, sei lebensgefährlich, weil der Boden durch den Regen aufgeweicht sei und Erdrutsche drohten, warnte die Polizei. "Ich bin absolut entsetzt, wie normale Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sich dazu hinreißen lassen, hier den absoluten Gefahrenbereich zu betreten", sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach.

Nach Polizei-Angaben attackierten einzelne Demonstranten auch Streifenwagen der Polizei und warfen Pyrotechnik in Richtung der Beamten. Über Festnahmen und Verletzte könne man noch nichts sagen, hieß es.

Ein Sprecher auf der Kundgebungsbühne hatte die Demo-Teilnehmer zuvor explizit aufgerufen, sich über Anweisungen der Polizei hinwegzusetzen. Er finde es legitim, wenn die Teilnehmer versuchten, in das abgesperrte Lützerath vorzudringen, sagte er: "Lasst euch von der Polizei nicht aufhalten. Wir sind mächtig. Wir sind auf der Seite der Gerechtigkeit. Wir lassen uns von diesem repressiven System nicht aufhalten. Wir stoppen diesen Tagebau. Macht alles, was ihr für richtig haltet."

Greta Thunberg in Lützerath

Thunberg hatte bereits am Freitag im Braunkohle-Dorf Lützerath zum Widerstand gegen das Abbaggern des Weilers durch den Energieriesen RWE aufgerufen. "Wenn Regierungen und Konzerne die Umwelt zerstören (...), wehren sich die Menschen", sagte sie. Der Energieriese RWE will den Weiler abreißen, um die unter der Ortschaft gelegene Braunkohle abbaggern zu können. Lützerath wird seit Mittwoch mit einem massiven Aufgebot von der Polizei geräumt. Die schwedische Aktivistin warf Deutschland vor, "einer der größten Klimasünder weltweit" zu sein. Sie rief zum anhaltenden Widerstand auf. "Wir haben nicht vor, aufzugeben. So lange die Kohle im Boden ist, ist dieser Kampf nicht vorbei."

© APA/AFP/INA FASSBENDER

Auch Österreicher unter den Teilnehmern

Auch aus Österreich sind Teilnehmer angereist. So beteiligen sich Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation", die zuletzt durch Verkehrsblockaden in Wien für Aufregung gesorgt haben, von Fridays For Future, des Jugendrats und System Change not Climate Change an den Protesten. Sie sprachen von bis zu 35.000 Demonstrantinnen und Demonstranten. "Es passiert zwar in Deutschland, geht uns aber alle etwas an", betont Marlene Seidl, Fridays For Future. Sie glaube, dies sei in historischer Moment. Deutschland habe sich von den Klimazielen des Pariser Abkommens verabschiedet. Von den Zusammenstößen mit der Polizei habe sie nichts mitbekommen. Das Gelände sei allerdings sehr weitläufig. Rund um die Bühne, auf der auch Greta Thunberg sprach, sei es friedlich zugegangen, so Seidl zur Kleinen Zeitung.

"An Tagen wie diesen wird klar, dass unser Kampf für eine klimagerechte Welt niemand aufhalten kann", sagte Lena Schilling, Sprecherin vom Jugendrat und LobauBleibt.