China hat in der vergangenen Woche einige der weltweit strengsten Maßnahmen zur Covid-Bekämpfung abgeschafft und erlebt nun einen sprunghaften Anstieg der Infektionen. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus nach dem chinesischen Neujahrsfest Ende Jänner explodieren könnte.

Explodierende Zahlen, unzählige Opfer

Dramatische Effekte davon gibt es offenbar schon jetzt: Die britische "Financial Times" berichtet, dass Chinas Behörden zwar seit dem 4. Dezember landesweit keine Todesfälle im Zusammenhang mit Covid gemeldet hätten. Mitarbeiter von zwei Pekinger Krematorien sagten jedoch gegenüber der Zeitung, dass die Gesamtzahl der Todesfälle viel höher als normal sei. Grund dafür ist vor allem, dass offenbar Chinas Hauptstadt von ihrem ersten signifikanten Ausbruch des Coronavirus betroffen ist. Dazu kommt eine extrem hohe Dunkelziffer im ganzen Land.

Ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter eines staatlichen Krematoriums wird von vor Ort recherchierenden Journalisten der "Financial Times" zitiert: "Wir haben erst am Mittwoch 150 Leichen eingeäschert. Das ist ein Vielfaches von dem, was im letzten Winter üblich war. Wir äschern sie am selben Tag ein, an dem sie eingeliefert werden." Etwa 30 bis 40 der Toten sollen Corona gehabt haben, heißt es. Auch die niederländische "de Volkskrant" zitiert einen Bestatter: "Wegen Covid ist diese Woche die Nachfrage viel höher. Wir haben bereits jetzt keinen Platz mehr."

Am Mittwoch hatte Chinas nationale Gesundheitsbehörde immer zugegeben, dass die wahre Zahl an Infektionen nicht mehr beziffert werden könnte. Vize-Regierungschef Sun Chunlan erklärte, dass die Zahl der Coronainfektionen in Peking "rasant steigt". Die Straßen seien Mittwoch weitgehend leer. Vor der Fieber-Station einer Klinik in Peking sahen AFP-Reporter am Mittwoch etwa 50 Menschen in einer Schlange stehen. Alle in der Schlange seien "infiziert", sagte einer von ihnen. "Wir würden nicht kommen, wenn wir es nicht wären." 

Bedeutsame Lockerungen in China

Nach landesweiten Protesten sowie einem Einbruch des Außenhandels im November hatte die Volksrepublik vor einer Woche mit einer Abkehr von ihrer strikten Null-Covid-Politik begonnen. Landesweit wurden zunächst Quarantäneregeln und Testpflichten gelockert oder sogar abgeschafft und die Massenabriegelungen beendet. Am Montag kündigten die Behörden zudem das Ende der staatlichen Corona-App an, die zweieinhalb Jahre lang die Bewegungsfreiheit der Menschen stark eingeschränkt hatte.

Restaurants, Geschäfte und Parks öffneten in Peking schrittweise wieder. Von einem normalen Alltag in der 22-Millionen-Einwohner-Stadt kann jedoch keine Rede sein. Betroffen ist nicht nur Peking: Aufgrund der steigenden Covid-19-Infektionszahlen schickt das Bildungsministerium der chinesischen Wirtschaftsmetropole Schanghai die meisten Schüler und Schülerinnen ab Montag in den Online-Unterricht. Die Behörde forderte in einer Erklärung auch Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen auf, den Betrieb einzustellen.