Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi lehnt ein von einem Mailänder Gericht beauftragtes Gutachten über seinen Gesundheitszustand ab. Ein Team aus Sachverständigen sollte bis 5. November feststellen, ob Berlusconi, einschließlich seiner psychischen Verfassung, fähig ist, an einem Prozess wegen Zeugenbestechung teilzunehmen. Wegen der Weigerung Berlusconis sei das nun aber hinfällig, zitierten italienische Medien aus einem Brief Berlusconis an das Gericht.

Berlusconi kündigte zudem an, nicht mehr persönlich vor Gericht zu erscheinen. Der Medienzar, der am 29. September seinen 85 Geburtstag feiert, beklagte, dass so ein Gutachten seine Ehre verletze und eine "klare Vorverurteilung" darstelle. Er kritisierte die Staatsanwaltschaft, die Zweifel über seine Gesundheitsprobleme geäußert hatte. Dies sei respektlos. Nun muss das Gericht entscheiden, wie und wann es weiter geht.

Das Mailänder Gericht hatte Professor Riccardo Zoia, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Mailand, zum Koordinator des Gutachter-Teams ernannt. Diesem gehören auch der Kardiologe Andrea Finzi und die Psychiaterin Ilaria Rossetto an. Die Richter forderten die Sachverständigen auf, festzustellen, ob der körperliche Zustand des Vorsitzenden der in Rom mitregierenden Partei Forza Italia, der eine schwere Herzoperation hinter sich hat, ihn daran hindert, am Prozess teilzunehmen.

Die Anwälte Berlusconis hatten bei der letzten Gerichtsverhandlung am 8. September auf den schlechten Gesundheitszustand des 84-Jährigen verwiesen und eine Verschiebung des Verhandlungstermins gefordert. Berlusconi sei nicht in der Lage, vor Gericht zu erscheinen und auf Fragen der Richter zu antworten, erklärte Berlusconis Anwalt Federico Cecconi damals.

Berlusconi war in den vergangenen zehn Tagen drei Mal zu medizinischen Checks in die Mailänder Klinik San Raffaele eingeliefert worden. Er hatte sich vor rund einem Jahr mit dem Coronavirus infiziert und kämpft seitdem gegen die Langzeitfolgen von Covid-19. Die Staatsanwaltschaft kritisierte, dass Berlusconis Gesundheitszustand kein Grund sei, den Prozess zu vertagen. Der Zustand des Politikers sei nicht kritisch, wie die Fotos von seinem Sommerurlaub in seiner Luxusvilla auf Sardinien bezeugen würden, so die Staatsanwaltschaft.

Prozess um "Bunga-Bunga-Partys"

Das Verfahren gegen Berlusconi und 28 weitere Personen bezieht sich auf einen früheren Prozess um seine "Bunga-Bunga-Partys" mit jungen Frauen. Berlusconi wird wegen ähnlicher Fälle auch in der toskanischen Stadt Siena strafrechtlich verfolgt. Ihm wird vorgeworfen, mehrere Zeugen mit Geld, Schmuck und Gütern im Millionenwert dazu gebracht zu haben, vor Gericht über die Partys zu schweigen.

Strittig war bei der juristischen Aufarbeitung der Partys vor allem, ob Berlusconi wusste, dass die marokkanische Tänzerin Karima al-Mahrough alias Ruby Rubacuori damals noch nicht volljährig war. Berlusconi wurde vorgeworfen, sie für Sex bezahlt zu haben. Laut der Mailänder Staatsanwaltschaft gab Berlusconi für das Schweigen der Zeugen zwischen 2011 und 2015 rund zehn Millionen Euro aus, davon gingen allein sieben Millionen an Ruby. Berlusconis Partei Forza Italia ist seit Mitte Februar Teil des Regierungsbündnisses von Regierungschef Mario Draghi.