Der unter Missbrauchs-Verdacht stehende Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher hat seine bisherige Taktik nicht geändert. Er und sein Verteidiger Bernhard Lehofer äußern sich vorerst weiter nicht zu den schweren Vorwürfen, der Doppel-Olympiasieger habe sich nach seiner aktiven Karriere als Trainer in einem Wiener Judo-Verein an mehreren unmündigen Mädchen vergangen.

"Alles, was er zu sagen hat, wird er am Montag vor Gericht sagen", stellte Lehofer auf APA-Anfrage klar. Davor wird es keine weiteren Stellungnahmen zu der Verhandlung geben, die nun mit fast dreijähriger Verspätung im Großen Schwurgerichtssaal des WienerLandesgerichts beginnt, bekräftigte der Anwalt.

Nach Georgien abgetaucht

Laut Plan hätte der Prozess bereits am 19. Dezember 2016 über die Bühne gehen sollen. Der damals auf freiem Fuß befindliche Angeklagte - die Justiz hatte keine ausreichenden Gründe für einen U-Haft-Antrag gesehen - tauchte aber nicht auf. Wie man mittlerweile weiß, hatte sich Seisenbacher kurz zuvor nach Georgien abgesetzt, ehe er seine Flucht Richtung Ukraine fortsetzte.

Dort wurde er im August 2017 von Zivilfahndern des Bundeskriminalamts aufgespürt, wenige Wochen später aber wieder aus der Auslieferungshaft in Kiew entlassen. Erst als er im September 2019 illegal die Ukraine verlassen wollte, weil er aufgrund einer geänderten Rechtslage befürchten musste, der Wiener Justiz übergeben zu werden, klickten erneut die Handschellen. Diesmal wurde Seisenbacher rasch nach Wien überstellt, seit 14. September befindet er sich in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft.

60 "Kiebitze" zugelassen

Mit seinem Versuch, sich der Strafverfolgung zu entziehen, dürfte Seisenbacher das mediale und öffentliche Interesse an seiner Verhandlung zusätzlich befeuert haben. Daran interessierte Medienvertreter mussten sich anmelden, Zutrittsberechtigungen für "Kiebitze" wurden auf 60 Sitzplätze limitiert.

Die mutmaßlichen Opfer des früheren Sport-Idols - inzwischen erwachsen und im Berufsleben verankert - werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit zeugenschaftlich vernommen. Das Urteil könnte am 2. Dezember fallen. Seisenbacher drohen bis zu zehn Jahre Haft, wobei Justizkenner davon ausgehen, dass sich bei einem Schuldspruch die Flucht bei der Strafbemessung erschwerend niederschlagen wird.

Judo-Szene erschüttert

Nicht nur die Judo-Szene reagierte erschüttert, als mehrere junge Frauen Jahre nach den nunmehr inkriminierten Übergriffen zur Staatsanwaltschaft gingen und gegen ihren ehemaligen Trainer Anzeige erstatteten. Der Anklage zufolge war ein Mädchen neun Jahre alt, als Seisenbacher - damals 37 - die Betroffene 1997 erstmals bedrängte. Von 1999 an kam es nach Angaben der Betroffenen zu geschlechtlichen Handlungen, die als schwerer sexueller Missbrauch einer Unmündigen qualifiziert sind. Die Schülerin soll bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres wiederholt missbraucht worden sein.

Ab Sommer 2004 soll der Ex-Judoka ein weiteres, damals 13 Jahre altes Mädchen bedrängt haben, das er ebenfalls als Trainer in der Kindergruppe in seinem Judo-Verein kennengelernt hatte. Auch mit diesem Mädchen kam es laut Staatsanwältin Ursula Schrall-Kropiunig zu sexuellen Handlungen.

Zuvor soll Seisenbacher auf einem Judo-Sommerlager im August 2001 versucht haben, einem weiteren Mädchen näher zu kommen. Die 16-Jährige wehrte ihn ihrer Darstellung zufolge aber ab. Für die Staatsanwaltschaft stellt sich dieser Vorgang als versuchter Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses dar.