Sie essen Eis vor der Touristeninformation mit dem Strahlenwarnzeichen, stapfen an den verlassenen Gebäuden vorbei, schießen aus der Ferne Fotos von dem zerstörten Atomkraftwerk: Tschernobyl wird von Touristen gestürmt. Die Zahl der Besucher dürfte sich heuer auf fast 150.000 Menschen steigern, schätzen lokale Touristiker laut der Nachrichtenagentur AFP - eine Verdoppelung.

Schlange stehen, um den Ort der Katastrophe zu sehen
Schlange stehen, um den Ort der Katastrophe zu sehen © APA/AFP/GENYA SAVILOV
© APA/AFP/GENYA SAVILOV

Schuld am massiv gestiegenen Interesse am Ort der größten Reaktorkatastrophe der Menschheitsgeschichte dürfte der US-Fernsehsender HBO sein. Der Sender hat die verstörende und von der Kritik hochgelobte Miniserie "Chernobyl" produziert (In Österreich ist sie auf Sky zu sehen).Doch der Touristenansturm in der Sperrzone hat Kopfschütteln verursacht. "Instagram-Idioten strömen wegen Erfolgsserie nach Tschernobyl" titelte etwa die deutsche "Bild"-Zeitung. Denn einige der Besucher scheinen den Ort an dem tausende Menschen starben für fröhliche Selfies zu nutzen. Die deutsche "FAZ" berichtet von einem Nutzer der oberkörperfrei vor dem Atomkraftwerk posiert; Hashtags: „chernobyl, nuclear und power of nature". Ein anderer posiert wie ein Rapper in der Geisterstadt Prypjat unweit des Reaktors.Manche dringen sogar in den Kontrollraum des Atomkraftwerks ein, der nicht betreten werden darf. Im Netz brach Kritik am mangelnden Respekt der Instagram-Nutzer aus. Auch einer der Produzenten und Autoren der HBO-Miniserie meldete sich zu Wort. "Wenn ihr Tschernobyl besucht, bitte bedenkt, dass hier eine furchtbare Tragödie passiert ist. Bitte zeigt Respekt vor all denen, die litten und Opfer brachten", schreibt Craig  Mazin auf Twitter. Schon vor der Serie hatte sich Tschernobyl zu einer beliebten Touristenattraktion entwickelt. Das verseuchte Gebiet darf nur im Rahmen offizieller Touren und unter Sicherheitsvorkehrungen besichtigt werden.