Als die Winden des Bergungsschiffes "Clark Adam" ihre Stahlseile ins Wasser ließen, wusste noch niemand so recht, wie viele Leichen man im Wrack finden würde.

Sieben Leichen waren gleich nach der Tragödie von Budapest aus dem Wasser gezogen worden. 21 Menschen galten ursprünglich als vermisst – und als der Rumpf des gesunkenen Ausflugsschiffs "Hableány" gestern kurz nach sieben Uhr langsam aus dem Wasser auftauchte, waren acht Opfer noch immer nicht gefunden. Vier von ihnen, so stellte sich heraus, lagen noch im Unglückswrack. Vier werden weiter vermisst.

Nach fast zwei Wochen Wrack gehoben

Am Dienstagmorgen begann nach fast zweiwöchigem Warten der Versuch, die "Hableány" aus der Donau zu heben. Am 29. Mai hatte das massive Hotelschiff "Viking Sigyn" – es gehört einer Schweizer Kreuzfahrtgesellschaft – die viel kleinere "Hableány" bei einem Überholmanöver gerammt und binnen sieben Sekunden unter sich begraben.

Nur sieben Menschen überlebten die Katastrophe. An Bord waren 35 Menschen gewesen – eine südkoreanische Touristengruppe und zwei ungarische Crew-Mitglieder. Opfer waren an verschiedensten Stellen gefunden worden. Taucher entdeckten manche im Wrack. Einer hing aus einem Fenster heraus, hatte offenbar verzweifelt versucht, herauszukommen. Unmöglich, angesichts der massiven Strömung. Andere Leichen wurden bis 100 Kilometer stromabwärts gefunden.



Klar ist, dass das Hotelschiff "Viking Sigyn" Auslöser war. Der ukrainische Kapitän wurde nach dem Unglück sofort in Behördengewahrsam genommen. Er soll vor Monaten einen anderen Unfall in den Niederlanden verursacht haben, allerdings ohne Opfer. Zudem soll er vor seiner Festnahme Daten von seinem Handy gelöscht haben. Laut Behörden hatte die "Viking" die "Hableány" überholen wollen. Die Vorschriften sehen vor, dass die Kapitäne beider Schiffe vor einem solchen Manöver miteinander kommunizieren müssen. Das geschah aber – warum auch immer – nicht.

Wrack wird akribisch untersucht

Die "Viking" war nach dem Unfall mit Genehmigung weitergereist, um Passagiere abzusetzen, kehrte dann aber zurück und liegt nun bei Visegrád vor Anker. Die Polizei inspizierte das Boot dort erneut. Auch die "Hableány" wird jetzt akribisch untersucht. Dazu wurde auf Csepel – ein Industrieareal im Süden Budapests – eine Fläche bereitgestellt, wo Experten das Wrack unter die Lupe nehmen.

Der Unfall hat in Ungarn eine rege Debatte ausgelöst: Im Oktober sind Kommunalwahlen. Die Regierungspartei Fidesz ist in der Hauptstadt weniger beliebt als auf dem Land, gilt gegen eine vereinte Opposition als verwundbar. Der regierende Fidesz-Bürgermeister István Tarlós will prüfen, ob Hotelschiffe nun aus der Innenstadt verbannt werden sollen. Ministerpräsident Viktor Orbán versprach lückenlose Aufklärung.