Es waren dramatische Szenen, die unter anderem durch ein Augenzeugenvideo dokumentiert wurden: In der Silvesternacht 2018 fuhr ein psychisch kranker Mann im Ruhrgebiet offenbar gezielt auf Menschen mit Migrationshintergrund zu - 14 Personen wurden verletzt, eine Frau war in Lebensgefahr.

"Das war wie ein Sog – wie bei einem Staubsauger", sagt der 50-Jährige am Freitag vor dem Essener Schwurgericht. "Alles was rechts und links war, habe ich gar nicht mehr wahrgenommen." Die Stimme ruhig, das Gesicht stark gerötet: Als der mutmaßliche Amokfahrer in den Gerichtssaal geführt wird, trifft er erstmals auch wieder auf einige seiner Opfer. Sie sitzen ihm nur wenige Meter gegenüber, doch er scheint sie auch jetzt nicht richtig wahrzunehmen. Worte des Bedauerns findet er zum Prozessauftakt nicht.

Hier kam es zur Amokfahrt
Hier kam es zur Amokfahrt © APA/dpa/Marcel Kusch

"Für ihn ist alles wie hinter einem Schleier", hatte sein Verteidiger Andreas Renschler schon vor Prozessbeginn erklärt. "Er ist ein geknickter Mensch."Seit Jahren leidet der arbeitslose Fensterputzer schon unter paranoider Schizophrenie. Seine Medikamente will er aber immer genommen haben. "Deshalb verstehe ich auch gar nicht, wie es dazu kommen konnte", sagt er den Richtern. Bestreiten wolle er aber nichts. Auch wenn er sich längst nicht an alles erinnern könne.

"Augenscheinliche Fremdenfeindlichkeit"

"Er wollte die Personen offensichtlich bewusst überfahren", so die Staatsanwaltschaft. "Die Motive seiner Taten begründen sich offenbar in der augenscheinlichen Fremdenfeindlichkeit des Beschuldigten". Doch der 50-Jährige wiegelt vor Gericht sofort ab. "Ich habe selbst ausländische Freunde. Ich bin eigentlich nicht so."

Nach seiner Festnahme hatte das allerdings noch ganz anders geklungen. Da soll er über Ausländer und Asylbewerber hergezogen sein und auch diesen Satz gesagt haben: "Ich habe aufgeräumt – und elektronisch gefegt." Woran er sich im Prozess allerdings nicht erinnern will.

"In ihm ist kein rechtes Gedankengut", sagt sein Verteidiger am Rande des Prozesses. "Das waren nur markige Sprüche, auf die sich Polizisten damals gestürzt haben." Sein Mandant sei in seinem Wahn offenbar davon ausgegangen, dass die Ausländer, die er vor sich gesehen habe, gleich einen Anschlag verüben würden. "Das wollte er verhindern." Tatsächlich sei der Angeklagte einfach nur ein sehr kranker Mensch.

Besonders dramatisch war die Situation damals für eine 46-jährige Syrerin, die in Bottrop gleich zweimal überrollt wurde. Dabei war unter anderem die Knieschlagader durchtrennt worden, laut Staatsanwaltschaft bestand akute Lebensgefahr. Eine Notoperation habe die Frau gerettet.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der arbeitslose Fensterputzer schuldunfähig ist. Obwohl es um mehrfachen Mordversuch geht, kann er daher nicht bestraft werden. Im Prozess droht ihm allerdings die unbefristete Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie.