Am Sonntag waren mehrere hundert Menschen den Aufrufen unter anderem der AfD und einer rechtsextremen Hooligan-Gruppierung zu Protesten gegen die Tötung des 35-jährigen Deutschen mutmaßlich durch Ausländer gefolgt. In der Chemnitzer Innenstadt wurden daraufhin Migranten verfolgt und bedroht. Ein Richter erließ Haftbefehl gegen einen Syrer und einen Iraker. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gemeinschaftlich begangenen Totschlag vor. Empörung löste der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier aus, der in einem Tweet Verständnis für Selbstjustiz gegen eine "Messermigration" gezeigt hatte.

Auslöser der Ausschreitungen waren Streitigkeiten in der Nacht zum Sonntag, bei denen der 35 Jahre alte Deutsche erstochen und zwei 33 und 38 Jahre alte weitere Deutsche schwer verletzt wurden. Ein zunächst verbal geführter Konflikt eskalierte nach Angaben der Staatsanwaltschaft. Eine Sprecherin korrigierte frühere Altersangaben der Verdächtigen. Demnach ist der Syrer 22 Jahre und der Iraker 21 Jahre alt.

Regierungssprecher Seibert sagte, Zusammenrottungen und Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens seien inakzeptabel: "Das nehmen wir nicht hin." Der Tod des Mannes sei schrecklich und Tatverdächtige müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Zu dem Tweet von Frohnmaier sagte er: "Solche Forderungen disqualifizieren sich selbst." Der AfD-Abgeordnete hatte getwittert: "Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber. Ganz einfach!" Und: "Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende 'Messermigration' zu stoppen!"

Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wandte sich scharf gegen Selbstjustiz. Er rief Innenminister Horst Seehofer (CSU) dazu auf, Stellung zu nehmen: "Ich bin absolut der Meinung, dass Horst Seehofer als Bundesinnenminister sich äußern muss."

In sozialen Medien war zu den Protesten aufgerufen worden. Auch die Chemnitzer AfD hatte für eine "Spontandemo gegen Gewalt" auf ihrer Facebook-Seite mobilisiert. Nach Angaben der Chemnitzer Polizeichefin Sonja Penzel versammelten sich rund 800 Menschen, davon seien 50 "gewaltbereit" gewesen. Beamte seien mit Flaschen und Steinen angegriffen worden. Ein Afghane, ein Syrer und ein Bulgare hätten sich gemeldet und berichtet, von Unbekannten angegriffen oder geschlagen worden zu sein. Zu den Organisationen, die zu Protesten aufgerufen haben, gehört die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Hooligan-Gruppe "Kaotic Chemnitz". "Wir haben mit Chemnitz eine neue Dimension der Eskalation erreicht", erklärte Landesinnenminister Roland Wöller.

Die Polizei widersprach Darstellungen, es sei zu der tödlichen Auseinandersetzung zwischen den zwei Migranten und drei Deutschen gekommen, nachdem Frauen von den Asylbewerbern belästigt worden seien. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte, sagte eine Sprecherin. "Bitte beteiligt euch nicht an Spekulationen", appellierte die Chemnitzer Polizei in einem Tweet am Sonntag, offenkundig um fremdenfeindlichen Agitationen den Boden zu entziehen.

In sozialen Medien waren Aufnahmen zu sehen, wie Kundgebungsteilnehmer andere Menschen bedrohen und durch die Straßen jagen. "Ein schrecklicher Mord, dessen Hintergründe unklar sind, wird in Chemnitz aufs Widerlichste für rassistische Ausschreitungen instrumentalisiert", twitterte die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner. Die Polizei räumte ein, zunächst nur mit vergleichsweise wenig Einsatzkräften vor Ort gewesen zu sein.

Bei Zusammenstößen rechts- und linksgerichteter Demonstranten gab es am Montagabend in Chemnitz nach Polizeiangaben mehrere Verletzte. Sie hätten zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden müssen, nachdem Kundgebungsteilnehmer der beiden Versammlungslager mit "Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen" geworfen hätten, teilte die Polizei mit. Beamte rückten den Angaben zufolge mit Wasserwerfern an.

Sachsens Generalstaatsanwalt Hans Strobl hatte zuvor erklärt, die Ermittlungen zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen am Rande des Chemnitzer Stadtfestes übernommen zu haben. Die vor zwei Jahren eingerichtete Sondereinheit Zentralstelle Extremismus Sachsen (ZESA) werde die weiteren Ermittlungen führen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Montagabend in Dresden mit.

"Wir wollen die Ermittlungen konzentriert und beschleunigt führen, damit die mutmaßlichen Täter schnellstmöglich vor Gericht gestellt werden können", erklärte Strobl. Der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) erklärte, die "zügige Arbeit der Staatsanwaltschaft Chemnitz und der Polizei" zum Tod eines 35-jährigen Mannes und mehrerer Fälle von schwerer Körperverletzung hätten schnell zu ersten Ergebnissen geführt. Diese Taten müssen weiter zügig aufgeklärt werden.

"Aber mit der gleichen Entschlossenheit werden wir die Ermittlungen wegen der anschließenden Ausschreitungen vorantreiben", sicherte Gemkow zu. Daher sei es richtig, dass Strobl die Ermittlungen übernommen habe. "Das Gewaltmonopol liegt einzig und allein beim Staat, und wir werden gegen diejenigen, die das nicht akzeptieren, konsequent vorgehen", erklärte der Justizminister.