Bei einem verheerenden Feuer in einem Hochhaus im Zentrum Londons sind mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. Die Polizei befürchtete weitere Opfer, da mehrere Menschen noch vermisst wurden. Bis zum frühen Mittwochabend waren nach Angaben der Rettungskräfte mindestens 79 Patienten in Spitälern behandelt worden, 18 von ihnen seien in einem kritischen Zustand.

65 Menschen wurden aus den Flammen gerettet. Der Einsatz wird nach Angaben der Polizei mehrere Tage dauern. Die Ursache des weiterhin nicht gelöschten Brands war zunächst unklar.

Das Feuer war in der Nacht ausgebrochen, am frühen Morgen stand das Gebäude mit 24 Stockwerken im Stadtteil Kensington noch lichterloh in Flammen. Trotz der Katastrophe blieb das Hochhaus bis zum Abend stabil genug, um darin nach eingeschlossenen Menschen zu suchen. Ein Experte überprüfe laufend die Statik des Grenfell Towers, sagte Feuerwehrchefin Dany Cotton.

Missstände offenbar seit Jahren bekannt

Auf einem Blog im Internet kritisiert die Grenfell Action Group bereits seit mehreren Jahren, dass es im Hochhaus schwere Mängel gebe, was die Sicherheit der Mieter betrifft. Vor allem was den Brandschutz angeht. "All unsere Warnungen sind auf taube Ohren gestoßen", heißt es in einem aktuellen Statement der Gruppe auf ihrer Website. Darunter sind Links zu Beiträgen gelistet, die sich mit dem Thema befassen. Der älteste Eintrag stammt offenbar vom Jänner 2013.

Eine Person blickt aus einem Fenster des brennenden Gebäudes.
Eine Person blickt aus einem Fenster des brennenden Gebäudes. © AP

Das 1974 errichtete Gebäude war von 2014 bis 2016 saniert worden. Die Baufirma Rydon reagierte schockiert auf den Brand. Sie war für die Sanierung des 24-stöckigen Grenfell Towers zuständig. Alle erforderlichen Kontrollen, Bestimmungen im Brandschutz und die sonstigen Sicherheitsstandards seien eingehalten worden, teilte die Firma mit.

Bürgermeister Sadiq Khan versprach umfassende Aufklärung. "Es wird im Laufe der nächsten Tage viele Fragen zur Ursache dieser Tragödie geben und ich möchte den Londonern versichern, dass wir dazu alle Antworten bekommen werden." Premierministerin Theresa May zeigte sich nach eigenen Worten "tief betroffen von den tragischen Todesfällen".

Die britische Premierministerin Theresa May hat eine "sorgfältige Untersuchung" angekündigt. Wenn aus dem Feuer Konsequenzen zu ziehen seien, würden Maßnahmen ergriffen, sagte May am Mittwochabend. Die Regierungschefin würdigte den Einsatz der Rettungskräfte und sprach den Betroffenen ihre Anteilnahme aus. "Heute Abend haben viele Menschen keinen Ort, wo sie hingehen können, sie haben absolut alles verloren. Ihnen zu helfen, muss für uns im Mittelpunkt stehen."

Die Einsatzkräfte waren nach eigenen Angaben innerhalb von sechs Minuten vor Ort. Demnach ging der erste Notruf um 0.54 Uhr (Ortszeit) ein. Die Crews arbeiteten "unter extrem schwierigen Bedingungen, um Menschen zu retten und den Großbrand unter Kontrolle zu bekommen", hieß es in einem Statement der Feuerwehr. Im Einsatz waren demnach 200 Feuerwehrkräfte und 40 Löschfahrzeuge. Bei dem Einsatz wurden mehrere Feuerwehrleute verletzt.

Mutter warf Baby aus Hochhaus

Ein Polizeisprecher bestätigte zwölf Tote. Er bezeichnete die Bergungsarbeiten als "komplex". Sie würden sich über mehrere Tage hinziehen. Es sei "wahrscheinlich", dass während dieser Zeit weitere Todesopfer entdeckt würden.

Feuerwehrchefin Dany Cotton nannte den Brand "beispiellos". "In meinen 29 Jahren bei der Feuerwehr habe ich noch nie etwas in dieser Größenordnung gesehen", sagte sie.

Augenzeugen hatten in der Nacht auf Twitter von Schreien berichtet. Menschen seien aus dem brennenden Gebäude gesprungen. Eltern warfen demnach in ihrer Verzweiflung Kinder aus dem brennenden Hochhaus. Eine Mutter habe ihren Säugling aus dem "neunten oder zehnten Stock" geworfen, sagte eine Augenzeugin der britischen Nachrichtenagentur PA. Ein Mann habe das Baby aufgefangen.

Trümmerteile flogen aus dem Gebäude. Mehrfach waren Knallgeräusche zu hören. Die Polizei sperrte die Umgebung weiträumig ab. Die Menschen wurden gebeten, die Gegend nordwestlich des Hyde Parks zu meiden. Eine Schule blieb geschlossen. Für Bewohner wurden Notfallzentren eingerichtet.