Hurrikan Matthew verwüstete vor einer Woche Haiti - das ärmste Land Amerikas. Als hätte der Sturm nicht genug angerichtet, folgt nun der viel gefürchtete Ausbruch von Cholera. Hilfswerk Mitarbeiterin Sonja Schilling berichtet über die Situation vor Ort.

Im Spital Port-a-Piment im Südwesten des Landes wurden allein am Sonntag 60 Cholerapatienten aufgenommen. Es gibt nicht genügend Personal, Desinfektionsmittel, Betten etc. um einen derartigen Ansturm an Patienten bewältigen zu können, berichtete das Hilfswerk Austria.

Bisher sind folgende Cholera-Fälle von der WHO bestätigt: Grand Anse (148), Sud (53), Nord-West (sechs), und Artibonite (28). Sonja Schilling, Hilfswerk-Mitarbeiterin im Katastrophengebiet, schätzte am Mittwoch die Gefahr einer Cholera-Epidemie als realistisch ein:

Der Wettlauf gegen die Zeit hat begonnen. Denn Cholera entzieht dem Körper innerhalb weniger Stunden so viel Flüssigkeit, dass die Patienten oft sterben, noch bevor sie ein Cholera Treatment Center (CTC) erreichen. Die Verbreitung erfolgt rasant – alle Personen, die mit dem Patienten in Kontakt waren müssen umgehend desinfiziert werden. Die Infizierung passiert meistens durch verunreinigtes Trinkwasser.

"Ich habe die Menschen hier noch nie so bedürftig erlebt", berichtete Schilling. "Sie haben Angst, und unsere Hilfspakete mit sauberem Wasser und Nahrung werden langsam knapp. Wir brauchen dringen Hilfe."

Dutzende vermisst

Nach dem verheerenden Hurrikan "Matthew" werden in Haiti noch Dutzende Menschen vermisst. Mindestens 75 Einwohner werden noch gesucht, wie der Zivilschutz des bitterarmen Karibikstaates am Dienstag (Ortszeit) mitteilte. Die offizielle Zahl der Toten stieg demnach auf mindestens 473, zudem gibt es 339 Verletzte.

Rund 175.500 Menschen fanden Schutz in Notunterkünften. Retter beklagten, die Hilfe laufe nur langsam an.

Die Bewohner der Bermuda-Inseln im Atlantik wappneten sich unterdessen gegen Hurrikan "Nicole", der am Mittwoch nach Angaben des Hurrikan-Zentrums in Miami Windstärken von bis zu 155 Kilometern pro Stunde erreichte. Das Auge des Sturms sollte sich in der Nacht auf Donnerstag (Ortszeit) der Inselgruppe östlich der US-Küste nähern. Experten warnten vor Überschwemmungen und Sturzfluten.