Jack Giacaman hat es eilig. Erstmals seit Beginn des Gazakriegs, den die Hamas mit ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 auslöste, will er die Filiale seines Geschäfts am Krippenplatz öffnen. „Als Zeichen“, sagt der Christ, dessen alteingesessener Familienbetrieb sich auf das traditionelle Olivenholzhandwerk spezialisiert hat. Langsam kommen die Besucher zurück nach Bethlehem, so der Geschäftsmann. Es herrscht ein leichtes Aufatmen in der Geburtsstadt Jesu, für die christliche Pilger und vor allem die Weihnachtszeit das wichtigste Kapital sind.

Palestinian vendors wait for clients in Manger Square in the West Bank city of Bethlehem, Tuesday, Dec. 16, 2025. (AP Photo/Mahmoud Illean)
Palästinensische Händler warten auf Kunden © AP

Zwei Jahre lang waren die Straßen kriegsbedingt verwaist. Zum Nikolaus aber kehrte etwas Festlaune zurück. Tausende kamen, um mit dem Entzünden der Lichter am Christbaum den Startschuss für die Weihnachtssaison zu geben. Die Bilder riefen Erinnerungen wach: Menschen mit Weihnachtsmannmützen drängten sich auf dem Krippenplatz, Regenschauern zum Trotz.

„Von hier ging das Licht des Friedens aus“

„Zwei Jahre herrschte Stille, haben wir wegen des Krieges auf das Feiern verzichtet. An diesem Abend ist Bethlehem zurück, um die Lichter am Weihnachtsbaum zu entzünden“, sagte Ramzi Khoury, Vorsitzender des Obersten Präsidialkomitees für Kirchenangelegenheiten der palästinensischen Behörde, unter Jubel. „Von hier ging das Licht des Friedens aus“, steht auf Arabisch und Englisch an der Krippenszene. Dass diese Botschaft wieder laut aus Bethlehem verkündet werde, sei auch eine „Botschaft der Standhaftigkeit“.

Am 6. Dezember war kein Durchkommen in Bethlehems Altstadt. Nach zwei Jahren Krieg „den Baum wieder leuchten zu sehen“ hat auch zahlreiche palästinensische Christen aus dem nordisraelischen Galiläa in die Stadt gebracht. Für viele ist es ein Ausdruck der Hoffnung auf den langersehnten Frieden. „Ich wünsche mir, dass der Friedenskönig den Frieden bringt“, formulierte es Jiries Khoury, der mit einer ganzen Gruppe aus Galiläa angereist war. Ein Ausflug „zurück in die Kindheit“ sei es, im Advent durch Bethlehem zu spazieren.

People pose for a picture in Manger Square in the West Bank city of Bethlehem, Tuesday, Dec. 16, 2025. (AP Photo/Mahmoud Illean)
Bethlehems Straßen füllen sich wieder zur Weihnachtszeit, Fotos dürfen da nicht fehlen © AP

Zurück sind auch die Pfadfinder. Ihre Dudelsäcke und Trommeln sorgen für den für die Stadt so typischen Feiertags-Soundtrack. „Wir haben die vergangenen Monate hart geprobt“, sagt Aram Basil, Pfadfinder der Christen syrischer Tradition. Nach zwei Jahren ohne Auftritt eröffneten sie den Abend mit der palästinensischen Nationalhymne in Dudelsack-Trommel-Version. Es war quasi die Generalprobe: Den großen Auftritt haben die Pfadfinder der verschiedenen Gruppen heute Vormittag, wenn sich die Straßen heute wohl erneut füllen werden. Dann werden sie den Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, bei seinem traditionellen Einzug durch die engen Gassen begleiten.

Die weiterhin prekäre Lage der Zivilisten in Gaza und die israelische Gewalt im besetzten Westjordanland: Sie hinterlassen trotz Aufatmen weiterhin ihre Spuren im Gesicht Bethlehems. Eine Schweigeminute ruft die vielen Toten ins Gedächtnis. Das traditionelle Feuerwerk weicht still in den Himmel aufsteigenden Luftballons.

Es bleibt unnatürlich ruhig in Bethlehem

Außerhalb der Adventfeiern bleibt es unnatürlich ruhig in Bethlehem. Die schlichten roten und goldenen Kugeln am Weihnachtsbaum funkeln einsam in der Wintersonne über dem Krippenplatz. Fast alle in Bethlehem leben direkt oder indirekt vom Tourismus, entsprechend verheerend sind die Kriegsfolgen für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft. Die Armut in Bethlehem habe ein ungekanntes Ausmaß erreicht, sagen Ordensleute in der Stadt. Sie haben sich zusammengeschlossen, um den Ärmsten zu helfen.

Angesichts der früheren Besuchermengen mache sich die begrenzte Rückkehr von Pilgern noch nicht bemerkbar, sagt Xavier Abu Eid, geboren in Santiago de Chile als Sohn einer christlichen Familie aus Bethlehems Nachbarort Beit Sahour. Der Politologe forscht zur Rolle der palästinensischen Christen im Nahost-Konflikt und beriet früher das „Negotiations Affairs Department“ der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).

„Trotzdem ist es richtig, Weihnachten zu feiern“

Das Bild in der Innenstadt gibt ihm recht: Dutzende Hotels geschlossen, in den Cafés wenig Betrieb. Die Grotte unter der Geburtskirche, in der ein silberner Stern den Ursprungsort der Christenheit markiert, erreicht man ganz ohne Warten. Noch im Rekordjahr 2019 mussten die Öffnungszeiten verlängert werden, um den mitunter bis auf den Kirchplatz reichenden Schlangen Herr zu werden.

A Christian nun sits on the steps of the Grotto, located under the Basilica, the alleged spot where Jesus Christ was born, in the Church of the Nativity, in the West Bank town of Bethlehem on December 21, 2025. Christmas cheer returned to the traditional birthplace of Jesus Christ in early December 2025, as Bethlehem lit up a tree for the first time since the war in Gaza began over two years ago. (Photo by HAZEM BADER / AFP)
Eine Nonne sitzt auf den Stufen der Geburtsgrotte im Untergeschoss der Basilika © AFP/Hazem Bader

Der Waffenstillstand bleibt zerbrechlich, mehr noch bleibt die palästinensische Reise ungewiss, weil es keinen „klaren Weg zur Beendigung dieser Besatzung“ gebe, so Abu Eid. Er warnt vor „alarmierenden Trends im Westjordanland: Abriegelungen, Angriffe von jüdischen Siedlern, israelische Vorstöße und Razzien, Siedlungsausbau.“

Trotzdem sei es richtig, Weihnachten in diesem Jahr wieder zu feiern. Es sei „Teil der palästinensischen Resilienz“, so der anglikanische Christ. Vor allem aber sei die „Botschaft der Hoffnung“ gerade in diesen Zeiten wichtig. Viele Christen und viele Bethlehemer scheinen seine Meinung zu teilen. Die Kirchen jedenfalls sind in diesem Jahr wieder dazu zurückgekehrt, vorab Einlasstickets für die Christmette zu vergeben – um einen zu großen Andrang im Zaum zu halten.