In großer Zahl strömen die Touristen durch die schmale Augustinerstraße im Zentrum von Wien. Nur wenige schauen auf, um einen Blick auf das unauffällige Gotteshaus zu werfen, das zwischen der Albertina, der Nationalbibliothek und der Spanischen Hofreitschule buchstäblich eingekeilt ist. Wenn Touristen die Augustinerkirche betreten, dann in erster Linie, um die Herzgruft der Habsburger zu besichtigen, einer der populären konzertanten Messen mit Musik von Mozart, Schubert oder Haydn beizuwohnen oder das Grab von Abraham a Sancta Clara aufzusuchen. Neben dem Portal am Josefsplatz hängt ein Plakat mit dem Farbfoto des neuen Papstes und einem „Habemus papam.“ Um die Ecke der unscheinbare Zugang zum Augustinerkloster, schräg vis-à-vis von der Wiener Redaktion der Kleinen Zeitung.

Im Augustinerkloster ging der neue Papst in den letzten zwei Jahrzehnten ein und aus, zuletzt weilte er im Herbst 2024 in Wien. Vor bald sieben Jahrzehnten ließ sich der Bettelorden an diesem Ort nieder, der amerikanische Kardinal war der Hauptzelebrant beim Weihefest zu Allerheiligen. „Ich weiß gar nicht, wie oft er bei uns war“, erzählt Prior Dominic Sadrawetz im Gespräch und will sich auf keine Zahl festlegen. Sechs-, zehn-, zwölfmal? „Er hat sich hier immer sehr wohlgefühlt.“ Sadrawetz habe den jahrzehntelang in Lateinamerika wirkenden Prevost vor allem als Seelsorger wahrgenommen, der stets auf die Menschen zugehe: „Er hat auch bei uns immer den Kontakt und das Gespräch mit den Leuten gesucht, die aus allen sozialen Schichten kommen.“ Wie er reagiert habe, als er von der Kür seines langjährigen Chefs erfahren habe? „Es war eine freudige Sprachlosigkeit.“

Kardinal Robert Francis Prevost war mehr als zehn Jahre Generalprior der Augustiner, neben den Franziskanern, Dominikanern, und Karmeliten einer der vier mittelalterlichen Bettelorden. Josef II. hatte auch diesen Orden komplett aufgelöst, 1951 siedelten sich aus dem Sudetenland vertriebene Mönche im Augustinerkloster in Wien an – es ist das einzige dieser Art in ganz Österreich, mit insgesamt drei Augustinern.

Zu Allerheiligen 2024 suchte der amerikanische Kardinal in den Abendstunden dann auch Kardinal Christoph Schönborn im Erzbischöflichen Palais auf. „Es war kein Geheimbesuch“, meinte ein Insider, „aber es lief alles diskret ab“. Denn es gab Wichtiges sehr diskret zu besprechen. Als Chef des Dikasteriums für Bischöfe liefen bei Prevost die Fäden zu allen Bischofsernennungen zusammen. Im Jänner 2025 endete die Amtszeit von Schönborn als Wiener Erzbischof. Warum bis jetzt kein Nachfolger inthronisiert wurde, ist unklar. „Er kennt die Situation in Wien sehr genau, das kann die Sache beschleunigen“, meinte Schönborn gestern in einem Pressegespräch. „Aber weil er die Causa so gut kennt, weiß er auch um die Komplexität der Sache Bescheid, und deshalb kann es auch länger dauern.“

Details waren dem Kardinal auch nicht zu einem anderen Gerücht zu entlocken – dass man sich im Vorkonklave auf drei Kandidaten, darunter den Amerikaner, verständigt hatte. Prevosts Bruder hatte in einem TV-Interview über ein Telefonat mit dem jetzigen Papst während des Vorkonklaves erzählt.

Mit dem US-Kardinal als Personalchef der katholischen Kirche hatte auch der steirische Bischof Wilhelm Krautwaschl zu tun – als es um den neuen Weihbischof ging. „Er hat aufmerksam zugehört, wir haben unsere Sichtweisen ausgetauscht, und er hat klar formuliert, was noch zu tun ist.“  Salzburgs Erzbischof Franz Lackner hätte in den nächsten Tagen nach Rom fliegen sollen, um Prevost wegen der Schönborn-Nachfolge zu treffen.

Zu Allerheiligen bei seinen Mitbrüdern in der Augustinerkirche
Zu Allerheiligen bei seinen Mitbrüdern in der Augustinerkirche © Franz Josef Rupprecht
Habemus Papam: Der Eingang zur Augustinerkirche
Habemus Papam: Der Eingang zur Augustinerkirche © Michael Jungwirth
ABD0018_20250509 - WIEN - ÖSTERREICH: Kardinal Christoph Schönborn im Rahmen eines Pressegesprächs zur Wahl von US-Kardinal Robert Francis Prevost zum neuen Papst Leo XIV. im Erzbischöflichen Palais in Wien am Freitag, 09, Mai 2025. - FOTO: APA/ALEX HALADA
Diskreter Besuch im Erzbischöflichen Palais: Schönborn © APA