Bummvolle Kinosäle, rege Publikumsdiskussion, eine Festival-Bar im Museumsquartier: Die 61. Viennale belebt Wien und die fünf Festivalkinos. Über die Leinwände der Stadt flimmern die Preisträgerfilme der großen Festivaltanker von Venedig, Cannes und Berlin, Kritikerinnen-Lieblinge und erste Geheimtipps. So einer ist die lakonische Neo-Western-Komödie „LaRoy“, der Debütfilm von Shane Atkinson und eine österreichische Koproduktion. In einem Kaff, irgendwo in Texas, wird Ray (John Magaro bekannt aus „First Cow“) irrtümlich für einen Auftragskiller gehalten. Er verübt - eher zufällig - den Mord und strauchelt von einem Missverständnis zum nächsten. Hochkomisch, staubtrocken und tiefschwarz werden die Abgründe und Dilemmas zwischen Stripperinnen-Klubs und Bars voller überraschender Wendungen im Plot offen gelegt. Es ist wie ein Provinz-Laufsteg mitsamt einer Parade schrulliger, aber liebenswerter Typen. Ein Film, den das Publikum mit kräftigem Applaus und vielen Zwischenlachern goutierte.
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Gleich zwei Filme der deutschen Regie-Ikone Wim Wenders sind in Wien zu sehen: Seine großflächige Doku „Anselm – Das Rauschen der Zeit“ über den Ausnahmekünstler Anselm Kiefer läuft am Freitag Kinos an. Im Gegensatz dazu ist „Perfect Days“ ein kleiner, gediegener und wundersamer Spielfilm aus Tokio. Im Fokus steht der Toilettenputzer Hirayama. Ein akribischer und alleine lebender Mann, der tagtäglich seine Routine an diversen öffentlichen Design-Häusln abspult. Er putzt, obwohl eigentlich eh alles sauber ist. Seine Leidenschaft gilt – nebst Musik von Lou Reed von Kasetten – dem Komorebi. Nie gehört? Der Begriff beschreibt das Naturschauspiel, wenn Lichtstrahlen durch Blätter fallen. Nicht zu grell, nicht zu düster, ein idealer Halbschatten. Dort hat sich Hirayama eingerichtet.
Einer der wunderbarsten Sommerfilme des deutschen Kinos stellte der Regisseur Christian Petzold mit Teilen seines Casts persönlich in Wien vor: „Roter Himmel“. Wobei: Sommerfilm viel zu kurz greift. Im Ensemblefilm verschlägt es zwei Freunde an den Künstlerort Ahrenshoop an die Ostsee. Grantler Leon (Thomas Schubert), dem mit seinem ersten Roman ein Bestseller glückte, steckt mit seinem zweiten Roman und in einer Schaffenskrise. Felix (Langston Uibel) will im wunderbaren Licht und vor der Kulisse der Ostsee an der Bewerbungsmappe für die Kunstuniversität arbeiten. Als sie im Haus von Felix‘ Familie ankommen, ist es schon belegt. Von Nadja (Petzold-Muse Paula Beer) und ihrem Lover. Sie jobbt als Eisverkäuferin, macht aber eigentlich gerade ihr Doktorat. Leon verknallt sich sofort in sie, gesteht sich aber weder Gefühle noch Spaß zu. Er vermutet, dass Rettungsschwimmer Devid ihr Lover ist. Elegischer, ruhig erzählter Film in klassischer Petzold-Manier. Er untersucht die Beziehungsgeflechte untereinander auf leise, subtile Art. Und währenddessen dräut die Gefahr in Form von Waldbränden. Umwerfendes Schauspielkino; zärtlich und wuchtig zugleich.
Ohne Sommer muss der Cannes-Film des türkischen Regisseurs Nuri Bilge Ceylans „Kuru Otlar Üstüne“ („About Dry Grasses“) auskommen. Wie in „Roter Himmel“ steht ein Mann im Fokus, der wenig Liebe für sich selbst aufweist. Samet (Deniz Celiloğlu) wird als Lehrer ans andere Ende des Landes geschickt und muss sich dort gegen Vorwürfe eines Mädchens behaupten. Die Begnügsamkeit und Zufriedenheit im Lehrerleben gönnt er seinem Kollegen nicht. Als die neue Kollegin sich für den Kollegen interessiert, funkt er intrigant dazwischen. Leises, langatmiges dreistündiges Kino, in dem der türkische Regiestar die ganze politische Breite seines Landes aufspannt und sehr oft die Frage stellt: Was wäre wenn?