Irgendwie erlebt man hier einen Alice-im-Wunderland-Effekt, freilich der anderen Art: Während ein neuer Porsche Cayenne tief in eine Furt auf einer Teststrecke eintaucht, liefern Millionen Bienen den Soundtrack, als Komparsen dienen Hunderte Auerochsen, finnische Landschafe und Exmoor-Ponys in dem über 413 Hektar großen Bühnenbild bei Leipzig. Riesige Fotovoltaikanlagen stehen hier Spalier, wenn Hightech-Sportwagen wie ein Panamera das hiesige Porsche-Werk verlassen.

Im Werk werden 550 Autos täglich produziert, man bilanziert CO2-neutral, zu 100 Prozent wird Grünstrom verwendet. Ab 2030 will man eine Zero Impact Factory sein, ohne CO2-Ausstoß. Klingt ein bisschen nach Märchenbuch und Greenwashing, ist es aber nicht, es steht für ein neues Selbstverständnis in der Porsche-Welt.

Millionen Bienen, Autoproduktion und Porsche-Erlebniswelt mitten in der Naturkulisse: Das Porsche-Werk in Leipzig bilanziert CO2-neutral
Millionen Bienen, Autoproduktion und Porsche-Erlebniswelt mitten in der Naturkulisse: Das Porsche-Werk in Leipzig bilanziert CO2-neutral © (c) © 2019 Porsche AG / Marco Prosch

Diese 360-Grad-Vision zwischen grünen Ideen und Erlebnisspaß am Automobil – es gibt eine eigene Test- und Erlebnisstrecke für Porschefahrer, wo man auch klimaneutrale E-Fuels (bei der Produktion entzieht man CO2 aus der Atmosphäre) einsetzt – wurde lange belächelt, auch in Stuttgart, als man für den Elektro-Sportwagen Taycan eine neue Fabrik aus dem Boden stampfte. „CO2-neutral wird produziert, die Gebäude unterschreiten die gesetzlichen Energievorgaben deutlich, alle Dächer der neuen Gebäude sind begrünt und zum Teil mit Fotovoltaikanlagen ausgestattet“, wie man betont.

Porsche-Erlebnistour in der Nähe des Porsche-Werks in Leipzig: Tiefe Leidenschaft
Porsche-Erlebnistour in der Nähe des Porsche-Werks in Leipzig: Tiefe Leidenschaft © Porsche

Blume, der Veränderer

In Leipzig wird wohl erst 2025, wenn man bei Konzernmutter Volkswagen die Software-Probleme in den Griff bekommt, der neue, vollelektrische Macan vom Band laufen. Wenn man jetzt hier in Leipzig, angesichts des permanenten Wandelns zwischen den Welten, eins und eins zusammenzählt, ist es nur logisch, dass Oliver Blume den Volkswagenkonzern ab September übernimmt. Und gleichzeitig bei Porsche als Boss an Bord bleibt.

Blume hat Porsche tiefgreifend verändert. Er hat Porsches Zerrissenheit zwischen Leidenschaft und Nachhaltigkeit auf einen Nenner gebracht. Und die E-Mobilität implementiert, als man diese Strategie noch für "verrückt" erklärte.

Der Blickwinkel der Frauen

Auch in Bezug auf die Sensibilität hat sich das Unternehmen gewandelt. „Frauen achten stark darauf, wofür das Unternehmen steht, und welche Werte wir in den Mittelpunkt rücken – etwa zum Thema Nachhaltigkeit.“

Erstaunlich bleibt, wie unterschiedlich die Marke von Frauen wahrgenommen wird. In Nordamerika und Europa zählt man einen Frauenanteil von 20 Prozent, in China sind es aber 50 Prozent!

Frauen würden sensibler darauf reagieren, was Porsche zu diesem Thema unternehme. Fix sei: Porsche habe sich vorgenommen, in 2030 bilanziell CO2-neutral unterwegs sein. Als erster traditioneller Automobilhersteller. Man werde die Werte, die Ideen zur Nachhaltigkeit noch stärker in den Mittelpunkt stellen.

Auch deshalb werde das Wachstum Grenzen haben. In den letzten zehn Jahren ist man auf 300.000 Fahrzeuge in der Jahresproduktion gewachsen. „Porsche wird nicht bis zum Himmel wachsen, sondern weiterhin bewusst auf Exklusivität setzen“, sagt Blume jetzt.

Auch beim autonomen Auto bremst er die Euphorie ein wenig ein. „Wir werden bestimmte Funktionen sicherlich anbieten, etwa für Stausituationen. Aber Porsche baut Sportwagen, keine Schlafwagen.“

Als Volkswagen-Chef wird er in dem Mehrmarken-Reich (Audi, VW, Skoda, Seat, Cupra . . .) freilich einen anderen Blickwinkel einnehmen.

Die Zukunft als Volkswagen-Chef

Es geht jetzt vielmehr darum, dieses gelebte Porsche-Selbstverständnis und diese Hingabe zum Produkt auf den mitunter trägen Verwaltungsapparat in Wolfsburg zu übertragen. Es gilt als geflügeltes Wort, dass man bei Porsche bereits Entscheidungen trifft, während in Wolfsburg noch Excel-Tabellen zur Entscheidungsfindung ausgefüllt werden.

Oliver Blume gilt als Vertrauter der Eigner-Familien Porsche und Piëch (53,3 Prozent der Stimmrechte am Volkswagenkonzern), und als Verbinder zwischen unterschiedlichen Welten – die er auch schon bei Porsche in Zuffenhausen und in Leipzig erweitert beziehungsweise erschaffen hat. So passt auch das F1-Engagement ins Bild, das Blume mit Red Bull geplant hat, samt Einstieg ins Team.

Mit Blickpunkt auf klimaneutrale E-Fuels, die herkömmliche Kraftstoffe ersetzen sollen. Porsche hat in Chile eine mit erneuerbaren Energien betriebene E-Fuels-Fabrik in Betrieb genommen. Das soll ein neues Geschäftsfeld werden, bei allem Glauben an die E-Mobilität.