Nachdem der Geschäftsführer des Handelsverbands, Rainer Will, am Mittwoch dafür plädierte, die Möglichkeit der telefonischen Krankmeldungen abzuschaffen, zumal "die Ein- bis Drei-Tages-Krankenstände um bis zu 50 Prozent gestiegen" seien, kontert am Donnerstag die Gewerkschaft. Barbara Teiber, Vorsitzende der GPA, ortet einen "unverschämten Generalverdacht", dem jede Grundlage fehle. "Der vom Geschäftsführer des Handelsverbandes Rainer Will erhobene Vorwurf, Handelsbeschäftigte würden die Möglichkeit der telefonischen Krankmeldung zu ihren Gunsten missbrauchen, ist ein unverschämter Generalverdacht, dem jede Grundlage fehlt", wird Teiber in einer Aussendung zitiert.

Will habe gegenüber Medien in den Raum gestellt, Beschäftigte würden die Möglichkeit, sich telefonisch krankzumelden, ausnutzen und somit die angespannte Personalsituation im Handel weiter verschärfen, so Teiber. "Abgesehen davon, dass diese Möglichkeit ohnehin nur noch eingeschränkt existiert, ist dieser Generalverdacht entschieden zurückzuweisen. Wir hören im Gegenteil vermehrt von Fällen, wo Beschäftigte krank zur Arbeit gehen, um ihre Kolleg:innen nicht im Stich zu lassen." Wenn es ein Problem mit vermehrten Krankenständen im Handel gebe, "dann ist das ganz wesentlich dem durch Personalnot hervorgerufenen Stress und krank machenden Arbeitsbedingungen geschuldet", so Teiber.

AK: "90 Prozent der Beschäftigten gehen krank arbeiten"

Auch die Arbeiterkammer (AK) übte Kritik. "Wir wissen aus einer AK-Befragung, dass 90 Prozent der Beschäftigten krank arbeiten gehen", sagte AK-Direktorin Silvia Hruška-Frank. Dass der Handelsverband die Beschäftigten unter Generalverdacht stelle, krank zu feiern, weil Kurzzeit-Krankenstände zugenommen haben, ist aus Sicht der AK nicht akzeptabel. "Eine Branche, die händeringend Personal sucht, ist nicht gut beraten, ihre Beschäftigten derart zu diskreditieren", so Hruška-Frank.

"Telefonische Krankmeldung nicht schuld"

Und auch Andreas Huss, der Obmann der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), meldet sich in der Debatte zu Wort: "In den letzten Tagen wird über ein grundsätzlich gestiegenes Krankenstandsaufkommen in Österreich berichtet. Diese Entwicklung war bei Auslaufen der Quarantäneregelung schon absehbar, denn seit 1. August 2022 gilt eine Corona-Erkrankung nicht mehr als Absonderung nach dem Epidemiegesetz, sondern als normaler Krankenstand und schlägt sich auch in der Krankenstandsstatistik nieder", so Huss.

Er betont: "Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen wie immer in den letzten Jahren sehr sorgsam mit dem Krankenstand um. Der jährliche Fehlzeitenreport zeigt das auch jedes Jahr wieder genau auf." Aber man müsse "auch akzeptieren, dass mit einer zusätzlichen Krankheit in der Infektionssaison zusätzliche Krankenstände auftreten". Das dürfe "auf keinen Fall den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angelastet werden und für politische Spielchen zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen missbraucht werden", so Huss in einer Aussendung. Die telefonische Krankmeldung sei "jedenfalls nicht schuld an den gestiegenen Krankenstandszahlen. Denn die gilt seit Sommer 2022 nur mehr für Corona-Verdachtsfälle."