Die Raiffeisen Bank International (RBI) dürfte ein Auge auf die Sberbank Europe geworfen haben. Die Bank sei am Kauf der Überreste der in Liquidation befindlichen Tochter der russischen staatlichen Sberbank interessiert, berichtete die Wochenzeitung "Falter" am Mittwoch. Ein Deal könnte Russland Millionen einbringen. In der heimischen Politik löste der Bericht Sorgen um das Image des Standorts Österreich aus, es gibt eine Anfrage der Grünen an den Finanzminister.

Wie aus dem "Falter"-Bericht hervorging, hat die RBI den Wirtschaftsprüfer pwc und die Rechtsanwaltskanzlei Baker McKenzie beauftragt, "Due Diligence"-Prüfungen rund um eine mögliche Übernahme der verbliebenen Reste der Sberbank Europe durchzuführen. Das Projekt trage den Namen "Red Bird" oder "Roter Vogel". Der Wert der Abwicklungsgesellschaft der Sberbank Europe könne laut Insidern bei mehr als 300 Mio. Euro liegen.

Verkäufer der restlichen Sberbank Europe in Liquidation wäre die russische staatliche Konzernmutter – und damit de facto der russische Staat. Aufgrund der herrschenden Sanktionen könne ein Verkaufserlös zwar nicht direkt nach Russland gehen, aber auf ein Treuhandkonto eingezahlt werden. "Der Kreml hätte dann ein Millionenvermögen im Ausland, auf das er nicht zugreifen kann", schrieb der "Falter".

Genehmigung durch ÖNB

Vonseiten der RBI hieß es zu dem Bericht, die Nationalbank habe "als zuständige Sanktionsbehörde die Einleitung einer 'Due Diligence' zur Evaluierung und Vorbereitung eines möglichen Kaufs der Anteile an der Sberbank Europe AG in Abwicklung genehmigt". Darüber hinaus wollte die Bank den Verkaufsprozess aber nicht kommentieren.

In der Politik sorgen die möglichen Ambitionen der RBI für Unruhe. Im Nachgang des "Falter"-Berichts haben die Grünen eine Anfrage an Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) gestellt, sie sorgen sich um die Auswirkungen der Russland-Geschäfte der RBI auf das Ansehen Österreichs. "Die Beibehaltung der russischen RBI-Tochter und die nun offenbarten Pläne zur Übernahme des Sberbank-Portfolios schädigen nicht nur in der Ukraine den Ruf der österreichischen Wirtschaft, es droht auch potenzieller Schaden für den Finanz- und Wirtschaftsplatz Österreich", heißt es in der Anfrage der Grünen-Abgeordneten Nina Tomaselli.

"Ich denke, dass es nicht im Sinne der Raiffeisenbank ist, deren genossenschaftlichen Eigentümern und auch nicht im Sinne des Finanzplatz- und Wirtschaftsplatzes Österreich, wenn die RBI die Geschäfte mit Russland sogar ausweitet", führte Tomaselli am Donnerstag gegenüber dem Ö1-Morgenjournal weiter aus. "Die Sberbank wird vom russischen Staat kontrolliert und ist damit auch mit Sanktionen belegt. Wir glauben, dass das eben keine sichere Bank ist."

Hohe Gewinne in Russland

Dass die RBI hohe Gewinne in Russland erziele, helfe der Optik nicht. Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat die RBI einen Gewinn von 3,6 Mrd. Euro eingefahren, davon wurden 2,1 Mrd. Euro in Russland – vor allem aufgrund von Währungseffekten und dem Geschäft mit dem Devisentausch – erwirtschaftet.

Bezweifelt wird von Tomaselli außerdem, wie ernst es der RBI mit einem Ausstieg aus Russland ist. "Angesichts der Vervierfachung der Gewinne aus dem Russland-Geschäft und den zutage getretenen Sberbank-Plänen bedarf der Wahrheitsgehalt der Aussage von Vorstand Johann Strobl, man prüfe "alle strategischen Optionen, einer vertiefenden Betrachtung", heißt es in der Anfrage weiter.

Vom Finanzminister will die Abgeordnete nun unter anderem wissen, welche Maßnahmen in Bezug auf das Russland-Geschäft der RBI gesetzt werden, ob es Beratungen mit der Bank hinsichtlich eines Ausstiegs gibt und welche Reputationsrisiken das Finanzministerium (BMF) für Österreich in dem Fall sieht. Sie fordert, dass die FMA und das BMF prüfen, welchen potenziellen Schaden das Russland-Geschäft der RBI auslösen könnte.

FMA nicht zuständig

Die FMA sieht sich allerdings nicht zuständig für die Sberbank Europe, da diese keine Bank mehr sei und damit nicht mehr der Aufsicht der FMA unterstehe, berichtete das Morgenjournal am Donnerstag. Für die Reste der Sberbank Europe sei die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst im Innenministerium zuständig. Die RBI unterstehe indessen der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB).

Konfrontiert mit der parlamentarischen Anfrage des grünen Koalitionspartners, hielt sich die ÖVP am Donnerstag bedeckt. "Man muss jetzt einmal die Fakten anschauen und die Hintergründe aufklären", sagte Europa-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) im Ö1-Morgenjournal. Klar sei aber, Österreich stehe zu den Sanktionen, so die Ministerin.

Die Sberbank Europe ist kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs aufgrund massiver Geldabflüsse und wegen der folgenden Sanktionen gegen Russland in Schieflage geraten. Am 1. März hatten die Aufsichtsbehörden den Geschäftsbetrieb mit sofortiger Wirkung untersagt, die Finanzmarktaufsicht (FMA) setzte den Wiener Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt Gerd Konezny als Regierungskommissär ein. Ab Mai wurde die Bank abgewickelt. Die Abwicklung wurde im Dezember 2022 abgeschlossen, damit erlosch auch die Bankkonzession.