Der Befund ist eindeutig: Trotz Energiepreiskrise und der damit verbundenen Teuerung, erweist sich der heimische Arbeitsmarkt als außerordentlich robust. Die Konjunktur bremst sich ein, dennoch liegt die Zahl der offenen Stellen auf einem Rekordniveau. Und der Personalmangel bleibt für Unternehmen eine ganz große Herausforderung.
Intensiv setzt sich der Unternehmensberater Jürgen Götzenauer mit dieser Problemstellung und ihren Folgen vor allem für Klein- und Mittelunternehmen (KMU) auseinander.

Der Problembefund ist das eine, daraus auch konkrete Maßnahmen und Erfolgsfaktoren abzuleiten, das andere – und letztlich entscheidende Mittel. Warum also gelingt es vielen KMU sehr gut, neues Personal zu finden – und dann auch zu halten. Und anderen wiederum kaum? Götzenauer hat dafür Erfolgsfaktoren herausgearbeitet. Eine wichtige Rolle spielen naturgemäß wirtschaftliche Rahmenbedingungen. „Unternehmen, die sich als Kostenführer positioniert haben und eine hohe Energie- und Rohstoffabhängigkeit haben, trifft es natürlich besonders hart.“ Jene KMU jedoch, „die als Innovations- oder Qualitätsführer in Hochpreissegmenten positioniert sind, tun sich naturgemäß leichter und bieten auch in schwierigen Zeiten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Bewerberinnen und Bewerber eine stabilere Umgebung“.

„Hausaufgaben machen“

Die Unternehmen müssen auch ihre „Hausaufgaben machen“, um für Beschäftigte und Bewerber interessant zu sein und zu bleiben. Götzenauer: „Dass man Kosten, Prozesse, Lieferketten, Strukturen, etc. im Griff haben muss, um in stürmischen Zeiten hart am Wind segeln zu können, hat uns spätestens die Coronapandemie dramatisch vor Augen geführt.“

Strategiearbeit

Wesentlich sei daher auch eine entsprechende Strategiearbeit, um den Umgang mit Veränderungen managen zu können. „Wer sich in der Vergangenheit nicht ausreichend mit zukunftsorientierter Unternehmensführung beschäftigt hat, hat es in Krisenzeiten doppelt schwer.“ Wenn alle verfügbaren Kräfte dazu eingesetzt werden müssen, um überhaupt wirtschaftlich überlebensfähig zu bleiben, und gleichzeitig zuvor vernachlässigte Strategiearbeit unter Hochdruck nachholen müssen, gehe sich das meist nicht aus. Unternehmen, die aber „den Umgang mit dramatischen Veränderungen in existenziell bedrohlichen Situationen beherrschen und dabei auch zumindest mittelfristige Ziele im Auge behalten können, haben auch bei Mitarbeitern und Bewerbern die Nase vorn“, so Götzenauer. Das sei umso wichtiger, als Krisen keine zeitlich begrenzten Ausnahmesituationen darstellen, sondern eher so etwas wie die „neue Normalität“.

Vertrauen der Mitarbeiter erarbeiten

Den großen Unterschied im Match um das dringend benötigte Personal „machen aus meiner Erfahrung aber viel menschlichere Dinge aus“. Gefragt seien Führungskräfte, „die sich schon in der Vergangenheit das Vertrauen ihrer Mitarbeiter erarbeitet haben, indem sie durch Vorbild führen und hinter Funktionsbezeichnungen und Rollenbeschreibungen die Menschen und ihre Bedürfnisse wahrnehmen“. Echte Wertschätzung gegenüber den Menschen im Unternehmen sei die wichtigste Basis dafür, dass Mitarbeiter gerade in schwierigen Zeiten nicht das Handtuch werfen, „sondern mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln mithelfen, das Unternehmen sicher durch die Krise zu bringen“.

Antworten auf das "Warum" bieten

Von wachsender Bedeutung ist schließlich auch die Frage, die von immer mehr jüngeren Menschen aufgeworfen wird: „Warum soll ich hier arbeiten?“ Darauf müssen Betriebe schlüssige und glaubwürdige Antworten geben können. „Die gut ausgebildeten High Potentials der Generation Z suchen sich sehr genau aus, welchem Unternehmen sie ihre wertvolle Lebenszeit zur Verfügung stellen“, so Götzenauer. Daher reiche es nicht mehr aus, „nur an spannenden Lösungen, Produkten oder Dienstleistungen zu arbeiten und die damit verbundenen Prozesse im Griff zu haben“. Um das „Warum“ beantworten zu können, „müssen sich Unternehmen damit beschäftigen, was sie wirklich antreibt“.

Es gehe u. a. darum, die dahinterstehenden Motivationen, Visionen und Werte – des Unternehmens und der Führungskräfte – herauszuarbeiten, um das Interesse von Bewerbern zu wecken. Hier sieht Götzenauer bei eigentümergeführten KMU durchaus Vorteile. Gerade Unternehmensgründer können das Warum durch ihre Leidenschaft und Begeisterung für die Gründungsidee „oftmals sogar ohne viel Worte klar und deutlich beantworten“.

Jürgen Götzenauer
Jürgen Götzenauer © (c) oliver wolf