Es hatte sich abgezeichnet. Jene Nachrichten, die heute vor genau zwei Jahren vom Masseverwalter an die damals 124 Beschäftigten des Garnherstellers Borckenstein gerichtet wurden, waren dennoch niederschmetternd. Mitte Februar 2019 war endgültig klar, dass sich kein Investor mehr für das insolvente Unternehmen finden würde – und die Schließung damit nicht mehr abgewendet werden konnte. Die Produktion des traditionsreichen Industrieunternehmens, dessen Wurzeln bis in das Jahr 1789 zurückreichten, hatte damit ein trauriges Ende gefunden. Und eine ganze Region erschüttert.

Dass die oststeirische Gemeinde Neudau ihren Nimbus als Textilstandort aber dann doch nicht verloren hat, ist der Innovationskraft eines früheren Borckenstein-Kunden zu verdanken. Das VPZ (Verpackungszentrum Graz) hat im Vorjahr in unmittelbarer Nachbarschaft des einstigen Werks einen Produktionsstandort für seine buchenholzbasierten „Packnatur“-Netzverpackungen eröffnet. Doch das war nur der Anfang, soeben wurde auch eine zweite Halle fertiggestellt – und eine dritte soll im nächsten Jahr folgen, wie die „VPZ-Schwestern“ Susanne Meininger und Bettina Reichl betonen. Insgesamt werden an die drei Millionen Euro investiert – 18 neue Arbeitsplätze wurden bereits geschaffen, 30 sollen es mit der nächsten Ausbaustufe werden. Ein großer Pluspunkt für den Standort sind insbesondere frühere Borckenstein-Textilingenieure, „Fachleute, die wir übernehmen konnten“, so Reichl.

© (c) KANIZAJ Marija-M. | 2017

Auch für das VPZ ist es „eine riesige Freude, dass wir in so einer Zeit sogar neue Arbeitsplätze in dieser Region schaffen können“, so Meininger. Neben der wirtschaftlichen sorgt aber auch die technologische Perspektive für enormen Rückenwind. Denn das Produkt, das nun in Neudau produziert wird, ist weltweit gefragt: Die Cellulose-Netzschläuche (auf Basis von Lenzing Modal Buchenholz-Cellulose, die aus der Durchforstung heimischer Wälder gewonnen wird) kommen als nachhaltige Verpackungslösungen für Obst und Gemüse in Supermarktketten zum Einsatz. Und die biobasierten, biologisch abbaubaren und heimkompostierbaren Verpackungslösungen ersetzen zunehmend Plastikverpackungen.

Dahinter liegt fast ein Vierteljahrhundert an Forschungsarbeit durch das VPZ, das von Helmut Meininger Anfang der 1980er-Jahre einst als reines Handelsunternehmen gegründet wurde, dann aber im findigen Familienverbund sukzessive zum Spezialisten für biogene Verpackungen weiterentwickelt wurde. Die globale Resonanz ist bemerkenswert, das Unternehmen hat zahlreiche internationale Preise gewonnen, u. a. den „WorldStar Packaging Award“ und den „Sustainable Food Award“.

Die nun finalisierte zweite Ausbaustufe in Neudau erhöht die Produktionskapazität um 60 Prozent. „Bis heute haben wir schon 75 Millionen Laufmeter ,Packnatur‘-Netzschlauch in Verkehr gesetzt. Um es bildhaft darzustellen: Damit konnten wir die Erde schon beinahe zwei Mal einwickeln“, so Reichl. Der Marktdurchbruch ist vor rund neun Jahren mit dem Einsatz bei den „Ja! Natürlich“-Produkten gelungen, mittlerweile setzen u. a. auch Handelsketten aus Neuseeland, den USA, Kanada, Mexiko, Australien, Südafrika sowie der Schweiz und Großbritannien auf das Know-how der Steirer. Dass es gelingt, dieses Produkt, das ökologische und technologische Gesichtspunkte vereint, industriell in Österreich herzustellen, „freut uns ganz besonders“, betont Meininger. Reichl: „Inzwischen verlassen Neudau Containerlieferungen in die ganze Welt hinaus.“

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Der Trend, die Plastikflut bei Verpackungen einzudämmen, kurbelt die Nachfrage weiter an. Hier komme ein weiterer Vorteil der „Packnatur“-Netzschläuche zu tragen: „Für die Abpackbetriebe von Obst und Gemüse ist es ganz entscheidend, dass sie ihre bestehenden Anlagen ohne technische Probleme und ohne Aufwand – von heute auf morgen – von Plastikverpackungen auf unsere umstellen können“, erklärt Reichl.

Trotz der Coronakrise oder vielleicht gerade deshalb bleibe das Interesse an kompostierbaren Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen ungebremst. „Es ist eine Zeit, in der wir uns mehr denn je über Ressourcen und Werte Gedanken machen.“

Packnatur-Geschäftsführer Markus Kainer und Susanne Meininger
Packnatur-Geschäftsführer Markus Kainer und Susanne Meininger © (c) KANIZAJ Marija-M. | 2018