Trotz massiver Interventionen von Präsident Donald Trump hat Siemens im Ringen um einen möglichen Milliarden-Auftrag im Irak gute Chancen gegen den US-Konkurrenten General Electric (GE). Die Münchner sind ihrem Ziel, die Stromkapazitäten in dem Land ausbauen zu dürfen, entscheidend nähergekommen. Rechtsgültige Verträge gibt es aber noch nicht.

Es sei eine Absichtserklärung unterschrieben worden, wie der Siemens-Konzern und Iraks Regierung am Sonntag mitteilten. Allerdings meldete auch GE am Sonntag, eine Reihe von "Grundsätzen der Zusammenarbeit" unterzeichnet zu haben, um "die Vision der Regierung für den Ausbau des Energiesektor" zu unterstützen. Die Wirtschaft des Irak generell solle "neu belebt" werden, zahlreiche neue Jobs könnten entstehen.

Siemens und sein US-Rivale General Electric teilen sich offenbar die Großaufträge zum Ausbau der Energieversorgung im Irak. Beide Firmen gaben am Sonntag bekannt, sie hätten mit dem irakischen Energieministerium Vorverträge über Großprojekte unterzeichnet.

Siemens-Chef Joe Kaeser twitterte am Sonntag, man habe eine richtungweisende Absichtserklärung unterzeichnet und wolle auf den Gebieten Energieversorgung, Gesundheit und Ausbildung zusammenarbeiten. Siemens werde im Irak elf Gigawatt an zusätzlichen Kraftwerkskapazitäten aufbauen. GE gab ebenfalls am Sonntag eine Vereinbarung mit dem Ministerium bekannt, nach der der US-Konzern in dem Land bis zu 14 Gigawatt Stromerzeugung aufbauen werde.

Kaeser und der irakische Elektrizitätsminister Kasim al-Fahdawi unterzeichneten eine Absichtserklärung für den Wiederaufbau der Energieinfrastruktur in dem Land, wie Siemens und das Ministerium am Sonntag mitteilten. Mit GE wurde eine ähnliche Absichtserklärung unterzeichnet, wie das irakische Elektrizitätsministerium mitteilte.

Der für Siemens wichtige Schritt hatte in den Tagen zuvor noch auf der Kippe gestanden. Die "Financial Times" hatte von erhöhtem Druck der USA auf die Regierung in Bagdad berichtet. Unter anderem seien Waffenlieferungen versprochen worden. Der Finanzdienst Bloomberg schrieb, ranghohe Vertreter Washingtons hätten Ministerpräsident Haider al-Abadi gewarnt, die Beziehungen zwischen den Ländern zu riskieren, falls ein Auftrag an Siemens gehen sollte.

Schlechte Stromversorgung

Obwohl der Irak eines der ölreichsten Länder der Welt ist, leidet die Bevölkerung unter der schlechten Versorgung mit Elektrizität. Vor allem, wenn die Iraker in den heißen Sommermonaten mit Temperaturen von bis zu 50 Grad allerorten Klimaanlagen einschalten, fällt ständig der Strom aus. Seit dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein 2003 scheiterten alle Regierungen daran, die Lage entscheidend zu verbessern. Ein Hauptgrund: die grassierende Korruption.

Der Frust der Iraker über die Mangelversorgung - auch mit Wasser anderen öffentlichen Dienstleistungen - entlud sich in den vergangenen Wochen in Protesten. In der Stadt Basra im Süden, Zentrum der irakischen Ölförderung, gingen die Menschen auf die Straße. Bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften kam es zu Toten und Verletzten.

Der Elf-Gigawatt-Auftrag läuft über vier Jahre. Laut dem Unternehmen geht es um rund die Hälfte der aktuellen Stromerzeugungs-Kapazität in dem vom Krieg schwer gezeichneten Land.

Es ist innerhalb von nur etwas mehr als zwei Jahren schon das zweite Großprojekt, das Siemens im Nahen Osten für seine Kraftwerksparte an Land gezogen hat. Vor wenigen Monaten schloss der Konzern in Ägypten den Bau von drei neuen Gas- und Dampfturbinen mit einer Stromerzeugungs-Kapazität von 14,4 Gigawatt ab - nur rund zwei Jahre, nachdem man den Zuschlag mit einem Volumen von acht Milliarden Euro erhalten hatte. Dies war eine gute Werbung für das aktuelle Vorhaben.

Überkapazitäten

Die kriselnde Kraftwerkssparte der Münchner soll davon profitieren. Überkapazitäten bei Großturbinen und der generelle Strukturwandel der Energieversorgung hin zu erneuerbaren Quellen machen dem Geschäftsfeld zu schaffen. Um Kosten zu sparen, vereinbarte die Konzernspitze mit dem Gesamtbetriebsrat und der IG Metall den Abbau von rund 6.900 Stellen weltweit, etwa 2.900 davon in Deutschland.

Ob der Irak-Deal - in Kreisen ist von einem hohen einstelligen Milliarden-Betrag die Rede - daran etwas ändert, ist indes fraglich. Im Vorstand ist man darum bemüht, zwischen den Themen Jobabbau und Großauftrag zu trennen. Die Vereinbarung mit den Arbeitnehmern gelte trotz des Irak-Geschäfts, sagte Personalchefin Janina Kugel vor wenigen Wochen. Auch die Gewerkschaftsseite räumte ein, dass der neue Auftrag die langfristige negative Entwicklung kaum aufhalten dürfte.

Für GE dürfte die Niederlage im Irak die Probleme verschärfen. Als einstiger Innovationsführer und Aushängeschild der US-Wirtschaft ist der Konzern wegen dieser und anderer Schwierigkeiten schon seit Jahren im freien Fall. Jüngst erst setzte die über 125 Jahre alte US-Industrie-Ikone ihren erfolglosen Spitzenmanager John Flannery vor die Tür - es war der zweite Chefwechsel innerhalb von nur 14 Monaten.

Offensichtlich konnte nun selbst das Drängen der Politik aber die Entscheidung der Iraker für Siemens nicht verhindern. Aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kam harsche Kritik an der Einmischung aus Washington. "Diese Art der Durchsetzung der "America-First"-Doktrin im weltweiten Wettbewerb multinationaler Unternehmen ist nicht akzeptabel", sagt Geschäftsführer Joachim Land der "Welt am Sonntag".