Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen in der heimischen Baubranche richten sich gegen rund 220 Beschuldigte. Doch wie hat dieses Baukartell gearbeitet?

Die Absprachen dürften unter anderem so abgelaufen sein, dass die Mitbewerber bei Ausschreibungen ein Unternehmen zum Zug kommen ließen, indem sie entweder gar keine Angebote legten oder höhere Angebote abgaben. Dafür erhielten sie im Gegenzug 0,5 bis 3,5 Prozent der Angebotssumme des Unternehmens, das den Auftrag erhielt. In anderen Fällen sei vereinbart worden, dass der Mitbewerber für sein Zurückstehen bei einem gleichwertigen anderen Projekt den Zuschlag erhalten sollte, schildern die Ermittler.

Bisher bestehe jedenfalls bei insgesamt 350 Vergabeverfahren in den Jahren 2006 bis 2017 der Verdacht auf verbotene Absprachen, teilte die WKStA zuletzt mit.

"Ein fest im Wirtschaftsleben verankertes System"

Es bestehe in Österreich vermutlich "ein langjähriges, fest im Wirtschaftsleben verankertes System von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren vorwiegend im Bereich des Tief- und Straßenbaus, an dem überwiegend marktführende österreichische Bauunternehmen beteiligt", heißt es in der Aussendung. Strabag und Porr haben bereits bestätigt, dass bei ihnen Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden.

Aber auch viele mittelständische Unternehmen seien in die Absprachen wiederholt eingebunden worden. Über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren seien dadurch bei hunderten Bauvorhaben die Vergabeverfahren zum Schaden der Steuerzahler unterlaufen worden.

"Sehr, sehr großes Ermittlungsverfahren"

Es handle sich um "ein sehr, sehr großes Ermittlungsverfahren", erklärte Theodor Thanner, Chef der Bundeswettbewerbsbehörde zuletzt im Ö1-Radio. Es hätten sich "mehrere Kronzeugen gemeldet und ihre Informationen über dieses große Kartell offengelegt". Er "höre, dass diese Firmen mittlerweile einem Druck in der Branche ausgesetzt sind", also gezielt keine Aufträge mehr bekommen würden, sagte Thanner. Wer die Kronzeugen sind, könne er aus ermittlungstechnischen Gründen nicht sagen, aber man verfüge schon über sehr detaillierte Informationen zu diesem Baukartell und "eine große Menge an Unterlagen, insbesondere elektronischer Natur". Dieses Kartell sei nicht regional begrenzt, sondern "es ist ein Kartell, das österreichweit gearbeitet hat".

Hinweise darauf, ob auch die oberste Hierarchieebene in den betreffenden Baufirmen involviert sein könnte, habe man derzeit nicht, so der Generaldirektor der Wettbewerbsbehörde. Verteidigen würden sich Unternehmen - trotz der bei den Bilanzpräsentationen ausgewiesenen Gewinne - damit, dass es wirtschaftlich notwendig sei, Preisabsprachen durchzuführen, damit man im Markt bleibe, erklärte Thanner.

"Geschädigte sind die Steuerzahler"

"Geschädigter bei diesen Preisabsprachen sind die Steuerzahler, weil es zum Großteil um öffentliche Aufträge geht", sagte der BWB-Chef. Man könne - entsprechend internationalen Daten - sicher davon ausgehen, dass bei Kartellen und Preisabsprachen die Preise um ungefähr 20 Prozent steigen würden. In den konkreten Fällen müsse man die Gerichtsverfahren abwarten.