Sind Sie, so wie viele österreichische Anleger, erschrocken über den Kursabsturz, der in der Nacht auf Dienstag  an der Wallstreet passierte, erwacht?
VALENTIN HOFSTÄTTER: Nachdem es eigentlich in den letzten Tagen auch schon kräftig nach unten ging, war es nur ein Kulminationspunkt einer Entwicklung, die schon vor einigen Tagen begonnen hat.

Bleibt es eine Korrektur oder kann es ein tiefer Einbruch werden?
Schlimmer geht immer, aber es ist eine Korrektur. Der rasche Einbruch ist am ehesten zu verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie steil es im Jänner hinauf ging.  Die US-Aktienmärkte haben in einem Monat an die zehn Prozent zugelegt - das ist eine Jahresperformance in vier Wochen. Dass das nicht nachhaltig ist, ist naheliegend. Im Endeffekt glauben wir, dass das Gesamtjahr trotzdem noch einen deutlich positiven Zuwachs bringen wird. Wir müssen jetzt einen Aktienkursanstieg wieder langsam erarbeiten, was wir im Jänner schon einmal kurz auf die Schnelle gewonnen hatten.

>> Ist der Kursverfall ein Vorbote für Schlimmeres?

Steht jetzt eine heiße volatile Phase bevor?
Es gibt Gradmesser für die Volatilität, die besagen, sie sei inzwischen auf dem höchsten Niveau seit 2015/2016. Wann jetzt genau der Boden drin ist, kann keiner seriös sagen. Wir denken aber nach wie vor, dass das jetzt eine Korrektur ist, die in den meisten Märkten, insbesondere in den europäischen Aktienmärkten, eine gute Kaufgelegenheit auf lange Sicht ist. Wir sehen keinen Beginn eines Bärenmarkts, oder dass die Konjunktur einbricht.

Daher ja nicht panisch aussteigen.
Dazu sehen wir überhaupt keinen Grund. Wenn, dann ist es eine Gelegenheit zum Nachkaufen. Aussteigen würde man, wenn man glaubt, der Bullenmarkt sei zu Ende und als Nächstes käme eine Rezession, welche die Märkte ein Jahr und länger nach unten treibt. Für ein solches Szenario haben wir überhaupt keinen Anhaltspunkt. Die Indikatoren sind global auf extrem starken Niveaus. Renditeanstiege, die zuletzt den Markt etwas verunsichert haben, steckt die Korrektur problemlos weg. Dass der Markt einmal ins Grübeln kommt und einmal heftig nachgibt, nachdem er in einem Monat um zehn Prozent angestiegen ist, ist nachvollziehbar. Aber das jetzt nichts, wo man sagt, das war's und ab jetzt dreht der Trend nach unten.

Ein Zufall, dass die Wall Street mit dem Einbruch gewartet hat, bis Trump seinen ersten Präsidentengeburtstag hinter sich gebracht hat?
Ja, weil es ursächlich gar nicht damit zusammenhängt. Andererseits war der starke Anstieg auch zum Teil eine Folge der Steuersenkung in Amerika, die eben auch erst mit Dezember fix wurde. Dann ist der Markt in Euphorie verfallen und man hat jetzt zum Nachdenken begonnen, ob die Kurse nicht zu schnell und zu viel gestiegen sind und jetzt geben wir einen Bruchteil davon wieder her.

In Davos hat Donald Trump ja die steigenden Kurse seiner Politik gutgeschrieben. Jetzt muss er wegen der Überhitzung durch die Steuerreform auch die Korrektur auf seine Kappe nehmen?
Den Aktienaufschwung gibt es schon seit Jahren. Seit 2009 sind wir in den USA im Bullenmarkt, der ist einfach schon alt und wird nicht ewig laufen. Die Steuersenkung für Unternehmen, die man schon Trump und den Republikanern zugute halten muss, gefällt kurzfristig natürlich den Aktionären. Die Korrektur wurde eher dadurch ausgelöst, dass der Markt ins Grübeln kam, dass die Zinsen und Anleiherenditen doch nach oben gehen und die Inflationsraten durch die gute Konjunktur stärker und schneller steigen. Damit sind wir wieder zurück, wo wir im vierten Quartal in Amerika waren und der Ausblick ist positiv. Die Gewinne der Unternehmen werden nicht zuletzt Dank der Steuersenkungen in den USA  heuer in einer Größenordnung von 15 bis 20 Prozent steigen. Da wäre es sehr seltsam, wenn der US-Aktienmarkt dieses Jahr nicht deutlich im Plus schließt in Amerika.

Gibt es Besonderheiten, die heimische Aktionäre, die vozugsweise an der Wiener Börse investiert sind, jetzt beachten müssen?
Kurzzeitig ist die Korrelation eins zu eins. Was fast unfair für europäische und österreichische Investoren ist. Europäische Märkte sind  in den letzten Quartalen nicht mitgestiegen mit dem US-Aktienmarkt, weil bei uns der starke Euro-Anstieg die Börsen belastet hat. 20 Prozent Euroaufwertung sind für US-Investoren genauso gut gelaufen wie die eigenen US-Märkte. Für den Euroinvestor bleibt da  nur eine Seitwärtsbewegung. Wenn aber der US-Markt fällt, dann fällt Europa und der ATX genauso mit nach unten. Dem kann man sich leider nicht entziehen. Der große Vorteil für die Zukunft ist, dass wir in Europa und auch in Österreich Aktienmärkte haben, die deutlich günstiger bewertet sind als die US-Märkte. Also noch viel mehr Luft auf längere Sicht haben. In Europa ist auch der Konjunkturzyklus noch viel jünger. Die EZB will erst nächstes Jahr die Zinsen anheben. Die US-Notenbank ist schon mitten im Zinsanhebungszyklus. Auf längere Sicht ist der Performanceausblick für europäische Aktienmärkte, und da schließe ich  Österreich nicht aus, sogar deutlich besser als für die USA.

Zu  Kurstubulenzen muss man jetzt schon  täglich bei Bitcoin fragen. Was läuft da mit diesen massiven Wertabstürzen einher?
Kurzzeitig haben wir keine Prognose zu Bitcoin. Langfristig denken wir, dass sich andere Digitalwährungen, die viele technische Dinge besser lösen als Bitcoin, durchsetzen werden. Und dementsprechend ist dann die Frage, was Bitcoin als digitale Währung langfristig überhaupt wert ist. Nicht allzuviel wahrscheinlich,  wenn sich  Konkurrenten durchsetzen, die es jetzt vielleicht noch nicht einmal gibt. Man darf den technischen Wandel in dem Bereich nicht vergessen.

Bei Bitcoin reden wir jetzt also nicht von einer vorübergehenden Korrektur.
Selbst wenn es eine vorübergehende Erholung beim Bitcoin-Kurs gibt, glauben wir nicht, dass das etwas ist, das man langfristig haben will.