Der Kristallkonzern Swarovski baut an seinem Hauptsitz Wattens in Tirol rund 400 Arbeitsplätze ab. Dies soll durch Kündigungen, freiwillige Abgänge sowie Pensionierungen bis Ende 2026 geschehen. Bis dahin soll der Mitarbeiterstand am Stammsitz von aktuell 2480 auf rund 2100 sinken, hieß es am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Wattens. Als Grund für die Maßnahme wurde das für den Standort wichtige, aber schwächelnde B2B-Geschäft genannt.
Wie viele Kündigungen schlussendlich ausgesprochen werden, sei indes noch nicht klar, sagte Jerome Dandrieux, General Manager in Wattens. Dies hänge davon ab, wie viele Mitarbeitende freiwillig das Unternehmen verlassen würden. Dies soll bis Mitte Dezember klar sein. Anfang Jänner werden schließlich die Kündigungen erfolgen, die Pensionierungen bis Jahresende wurden bei den insgesamt 400 Betroffenen ebenfalls berücksichtigt. Das Unternehmen habe mit dem Betriebsrat einen Sozialplan ausgearbeitet, der pro Betroffenem zwei bis sieben Monatsgehälter sowie jeweils 11.000 Euro für eine Arbeitsstiftung vorsehe.
Wattens in „paradoxer Situation“
Bei Swarovski herrsche aktuell eine „paradoxe Situation“ vor, versuchte Dandrieux, der auch Chief HR Officer bei dem Unternehmen ist, zu erklären. Der Konzern weise dank des gut laufenden Schmuckgeschäfts zwar „robuste Zahlen“ auf, aber in Wattens werde vorwiegend für Geschäftskunden produziert. Dabei sei man abhängig von äußeren Umständen: „Wir haben keine gute Perspektive in China und in der Luxusindustrie“, sagte er. Auch die Autoindustrie, für die Swarovski zunehmend Aufträge erfülle, sei in einer schwierigen Situation.
Zudem führte der Manager die hierzulande herrschenden Rahmenbedingungen ins Treffen: „In Österreich zu produzieren ist schwierig.“ Hohe Lohn-, Energie- und Rohstoffkosten müssten vom Unternehmen getragen werden. Dazu kommen die globalen Umstände inklusive der „unvorhersehbaren Zollpolitik der USA“.
Dandrieux: „Wir glauben an Wattens“
Daher sei die „Auslastung“ in Wattens nach unten gegangen und „Anpassungen“ seien daher nötig. Neben dem Stellenabbau wurde allen Mitarbeitenden eine Arbeitszeitreduktion von zehn Prozent vorgeschlagen, zudem wird der Drei-Schicht-Betrieb auf zwei Schichten reduziert. Die Nachtschicht, die laut Dandrieux „Millionen“ kostet, falle weg. Gleichzeitig gab er jedoch ein Bekenntnis für den Standort ab: „Wir glauben an Wattens.“ Dennoch: „Wenn wir jetzt nichts machen, werden wir in einem Jahr schwierigere Entscheidungen treffen müssen.“
Das Unternehmen habe jedenfalls einen „Plan“ für Wattens, indem neue Kunden erreicht werden sollen. Zudem soll das Kerngeschäft stabilisiert und weiter investiert werden. Bis 2030 sind Investitionen in Höhe von 150 Mio. Euro geplant. Ob - wie vielfach kolportiert - auch Liegenschaften am Firmengelände verkauft werden sollen, war indes noch nicht entschieden, wie der Manager sagte.
Belegschaft informiert, keine Proteste geplant
Führungskräfte und die weitere Belegschaft seien in mehreren Informationsveranstaltungen im Laufe des Donnerstags über den geplanten Stellenabbau informiert worden, sagte Betriebsratschefin Selina Eder zur APA. „Wir können das leider nicht verhindern“, meinte sie. Protestaktionen seien nicht geplant, diese hätten „erfahrungsgemäß nicht viel geholfen“. Man versuche jedenfalls, „das Möglichste für die Mitarbeiter herauszuholen“ und informiere diese etwa über weitreichende Folgen von reduzierter Arbeitszeit. Seitens des Betriebsrats wolle man nun - wie bereits zuletzt - mit Vorschlägen zur Erhöhung des Umsatzes an die Unternehmensführung herantreten.
Seitens der schwarz-roten Tiroler Landesregierung zeigte man sich betroffen. Dies sei „ein schwerer Schlag“ für Mitarbeiter, Wattens und das Land Tirol, wurde Arbeitslandesrätin Astrid Mair (ÖVP) in einer Aussendung zitiert: „Die Entwicklung am Standort Wattens bereitet uns große Sorge.“ Sie erinnerte das Unternehmen auch daran, „dass das Land Tirol in der Vergangenheit nicht nur einmal voll und ganz hinter der Firma Swarovski gestanden ist - auch und gerade in schwierigen Zeiten“. Die Unternehmensführung müsse dementsprechend auch ihre Verantwortung wahrnehmen und ein entsprechendes Sozialpaket schnüren. Seitens des Landes werde man über geeignete arbeitsmarktpolitische Instrumente für die Mitarbeiter nachdenken, kündigten Mair und Wirtschaftslandesrat Mario Gerber (ÖVP) an.
Die politischen Mitbewerber sahen indes die Wirtschaft in Gefahr und übten Kritik an den Regierenden. So hörte FPÖ-Wirtschaftssprecherin Barbara Kolm „alle Alarmglocken läuten“. Der „Kahlschlag“ sei „trauriger Höhepunkt einer verfehlten Politik“, betonte die Nationalratsabgeordnete und verwies auf einen „Giftcocktail aus Rekord-Inflation, Energiepreis-Wahnsinn und der höchsten Steuerlast seit Jahrzehnten“, für den die Bundesregierung verantwortlich sei. Die Liste Fritz ortete ein „Alarmzeichen für eine anhaltende Wirtschaftskrise“. Von einem Konjunkturpaket sei keine Spur, nahm Landtagsabgeordneter Herwig Zöttl die Landesregierung in die Pflicht. Der aus der Tiroler SPÖ ausgeschlossene Ex-Landesparteichef und Landeshauptmannvize Georg Dornauer sah einen „Schlag ins Gesicht für all jene Menschen, die Swarovski über Jahrzehnte groß gemacht haben“ und forderte Transparenz über die wirtschaftlichen Hintergründe ein.
Arbeiterkammer: „Landesverrat“, Wirtschaft und Industrie: „Standort unter Druck“
Die Arbeiterkammer (AK) schoss indes bereits am Vormittag in einer Aussendung aus allen Rohren: Für Tirols AK-Präsidenten Erwin Zangerl war der nunmehrige Schritt Swarovskis eine „Bankrotterklärung für die Strategie der Konzernführung und für den Standort Wattens“, Standort-Bekenntnisse seien „bloße Lippenbekenntnisse“ gewesen, Wattens werde „ausgehungert“. Bund und Länder hätten das Unternehmen immer wieder mit Steuergeld unterstützt. Der Standort werde jedoch mit einer „Salamitaktik scheibchenweise filetiert“. „Das ist Landesverrat und wir werden uns hier ganz klar auf die Seite von Land und Leuten stellen“, fand Zangerl deutliche Worte.
Für die Wirtschaftskammer zeige der Stellenabbau dagegen, „wie sehr der Wirtschafts- und Industriestandort Österreich unter Druck steht“. Präsidentin Barbara Thaler bezeichnete es daher als „starkes Zeichen“, wenn Swarovski weiter ein Standortbekenntnis abgebe. Für die Tiroler Industriellenvereinigung (IV) war der Schritt Swarovskis indes eine „Hiobsbotschaft“ und ein „weiteres Signal für die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit in Tirol“. „Was wir aktuell erleben, ist nicht das Ergebnis eines plötzlichen Schocks, sondern die Konsequenz jahrelanger Fehlentwicklungen in der Standortpolitik“, sagte IV-Chef Max Kloger in einer Aussendung.
Seit 17 Jahren wird das Personal reduziert
Die Geschichte des Personalabbaus bei Swarovski zieht sich mittlerweile über 17 Jahre. Mitarbeiter werden teils in Wellen gekündigt, Stellen werden nicht mehr nachbesetzt. Diese Abgänge haben horrende Auswirkungen auf die restliche Belegschaft, denn das Arbeitsausmaß und die Belastungen werden nicht an den verringerten Mitarbeiterstand angepasst. Allein von Jänner 2023 bis Oktober 2025 sank die Zahl der Mitarbeiter:innen bei Swarovski um rund 600 Personen, seit 2007 wurden nicht weniger als 5.000 Arbeitsplätze abgebaut.
Dabei wird gezielt und bewusst Personal abgebaut, die Auslagerung von Arbeit etwa nach Polen oder in Nicht-EU-Länder wie Serbien oder die Schweiz bzw. an Produktionsstandorte in Asien wie Thailand, Indien oder Vietnam hat die Situation in Wattens zusätzlich verschärft. Nun soll neben den personellen Einsparungen auch der Großteil der Nachtschichten wegfallen (Ausnahme Glashütte), was wiederum zu finanziellen Einbußen bei den Beschäftigten führt, gestrichen wird auch der hauseigene Werksverkehr, der die Beschäftigten von und zur Arbeitsstätte befördert.
Die Geschichte der Krisen
Die erste große Krise bei Swarovski kommt bereits in den 1970er Jahren. Die Nachfrage nach Schmucksteinen und Lustern bricht in Folge des Ölpreisschocks weltweit zusammen, über 40 Prozent der damals 2.700 Mitarbeiter werden abgebaut, nur mit Unterstützung von Land und Bund gelingt es, noch schlimmere Auswirkungen zu verhindern. Diese Unterstützungen sowie die damalige Innovationskraft von Mitarbeiter führen das Unternehmen wieder nach oben. Mitte der 1980er erleidet man jedoch teuren Schiffbruch mit der Übernahme der US-Schmuckhandelskette Zale, die 1992 mit Verbindlichkeiten von 1,1 Milliarden Euro in Konkurs geht. Anfang der 2000er Jahre kommt es zum Managementwechsel, die Konkurrenz aus „Billiglohnländern“, so die damalige Begründung, führt 2008 zur Entlassung von 700 Mitarbeiter:innen, weitere 1.100 folgen. Das 2010 in China eröffnete Werk schließt bereits 2015, ein neuer Produktionsstandort wird in Serbien eröffnet. Von den Spätfolgen des Managementwechsels 2002 erholt sich Wattens nicht, insgesamt gingen seit 2007 5000 Arbeitsplätze in Wattens verloren, weitere werden folgen.
Doch nicht nur wegen des Stellenabbaus war der Kristallkonzern in die Schlagzeilen geraten. Auch die Konzernführung und die wirtschaftliche Situation - nicht zuletzt aufgrund der Coronakrise - waren im Fokus. Ein teils vor Gerichten und in den Medien ausgetragener Streit war indes im heurigen Sommer für beendet erklärt worden. Die Gesellschafter einigten sich einstimmig auf die Schaffung eines „integrierten Kristallkonzerns“. Die neue DSW Kristall AG & Co KG ist eine 100-Prozent-Tochter der Schweizer Swarovski International Holding (SIH). Der Wattener Betrieb und damit alle Mitarbeitenden wurden in den neuen Konzern eingebracht. Die Unternehmenszahlen hatten sich indes zuletzt wieder etwas verbessert: Der Umsatz im Geschäftsjahr 2024 stieg gegenüber dem Jahr davor von 1,8 auf 1,9 Milliarden Euro.