Am Freitag haben die US-Börsen während der mit Spannung erwarteten Rede des US-Notenbankchefs Jerome Powell ihre anfänglichen Gewinne deutlich ausgebaut. Die Finanzmärkte interpretierten die Aussagen Powells offensichtlich als Hinweis auf eine baldige Leitzinssenkung. Entsprechend gaben die Anleihenrenditen und der US-Dollar in Reaktion auf die Rede nach und antizipierten damit schon niedrigere Zinsen. Der Euro stieg im Gegenzug auf 1,1727 Dollar.
Aktienkurse legten, angetrieben von der Aussicht auf eine Zinssenkung, deutlich zu. Der Dow Jones stieg gut eine Stunde nach Redebeginn um 1,96 Prozent auf 45.663,17 Punkte. Im Tagesverlauf hat der Index ein neues Rekordhoch markiert. Der breiter gefasste S&P-500 legte 1,65 Prozent auf 6.475,51 Zähler zu. Der technologielastige Nasdaq Composite gewann 2,08 Prozent auf 21.538,712 Punkte.
Auch die Kurse österreichischer Bundesanleihen reagierten: Sie sind am Freitag im Späthandel gestiegen.
Rückt Zinsschritt näher?
Die Risikofaktoren für die Wirtschaft haben sich verschoben, dies könnte eine Anpassung der Geldpolitik erfordern, sagte Powell bei seiner Rede auf dem Notenbankentreffen in Jackson Hole. Die Effekte der Zölle auf die Inflation seien nun absehbar und dürften nur vorübergehend sein, so der Notenbankchef. Die Abwärtsrisiken für den Arbeitsmarkt hätten hingegen zugenommen. Damit öffnet er die Tür für eine mögliche Zinssenkung Mitte September ein Stück weit. Die Börsen werteten diese Aussagen als ein Abrücken von der Politik hoher Zinsen zur Inflationsbekämpfung. Aber: „Es ist jedoch auch möglich, dass der Aufwärtsdruck auf die Preise durch Zölle eine dauerhaftere Inflationsdynamik auslösen kann“, so Powell.
Die US-Notenbank trifft ihre kommende Zinsentscheidung unter schwierigen Rahmenbedingungen. Sie hatte den Leitzins zuletzt Ende Juli weiter in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent belassen. Die Zollkonflikte sorgen für erhöhte wirtschaftliche Unsicherheit. Zudem ist die Unabhängigkeit der Notenbank bedroht, da US-Präsident Donald Trump auf Zinssenkungen drängt und dabei auch juristische Schritte gegen den Fed-Chef angedroht hat. Eine Zinssenkung könnte daher auch als ein Zeichen eines Unabhängigkeitsverlusts der Notenbank gewertet werden. Eine dem Willen des Präsidenten unterworfene Notenbank wäre aber ein Risiko für Preisstabilität, US-Dollar und US-Anleihenmarkt, warnen die Analysten der Helaba.