Der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau denkt laut über eine mögliche nächste Zinssenkung im Jahresverlauf nach. „Sofern es nicht zu einem größeren externen Schock kommt, darunter auch mögliche neue militärische Entwicklungen in Nahost, könnte die Geldpolitik, wenn sie sich denn verändern sollte, in den nächsten sechs Monaten eher in Richtung einer Lockerung gehen“, sagte Villeroy am Donnerstag in einer Rede am European University Institute in Italien.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte angesichts sinkender Inflation Anfang des Monats die achte Zinssenkung seit Juni 2024 vollzogen: Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, mit dem die Zentralbank ihre Geldpolitik steuert, wurde von 2,25 auf 2,00 Prozent nach unten gesetzt. Der Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, wurde ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte auf 2,15 Prozent gesenkt. Der niedrigere Preisdruck erlaubt es der EZB, mit billigerem Geld die noch lahmende Wirtschaft anzukurbeln.

Weiterer Kurs blieb offen

Den weiteren Kurs ließ die EZB offen. An den Finanzmärkten wird erst für das letzte Quartal mit einer Zinssenkung gerechnet. Sie entscheidet am 24. Juli wieder über den Leitzins. Dann könnte sich auch der Nebel mit Blick auf die Zollpolitik etwas verzogen haben. In Bezug auf den Stand der Handelsverhandlungen der EU mit den Vereinigten Staaten hinsichtlich der von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen jüngst, sie bevorzuge eine Verhandlungslösung vor dem Ablauf der Frist am 9. Juli. Ein Handelskrieg kann die Wirtschaft lähmen und zudem die Preise für viele Güter nach oben treiben.

Die Inflation in der Eurozone ist im Mai erstmals seit Monaten unter die Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) gefallen. Waren und Dienstleistungen in der 20-Länder-Gemeinschaft verteuerten sich um durchschnittlich 1,9 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das EU-Statistikamt Eurostat seine erste Schätzung bestätigte. Niedriger lag die Inflationsrate zuletzt im September 2024 mit 1,7 Prozent. Im April betrug sie noch 2,2 Prozent. Die EZB peilt mittelfristig zwei Prozent an, was sie als optimal für den Euroraum erachtet. Entlastet wurden die Verbraucher von sinkenden Energiepreisen. Diese fielen um 3,7 Prozent im Vergleich zum Mai 2024. Allerdings hat sich Öl infolge des Kriegs zwischen Israel und Iran in den vergangenen Tagen wieder deutlich verteuert. Sollte sich der Konflikt ausweiten, rechnen Ökonomen mit einem noch kräftigeren Anstieg und damit mehr Inflationsdruck. Preistreiber blieben „Lebensmittel, Alkohol und Tabak“ sowie Dienstleistungen, die sich jeweils um 3,2 Prozent verteuerten.