Wifo-Chef Gabriel Felbermayr kann sich eine Reduktion des Staatsanteils bei Post, OMV, Telekom Austria und Verbund auf eine Sperrminorität (25 Prozent plus 1 Aktie) vorstellen, um damit einen „Zukunftsfonds“ bei der Staatsholding ÖBAG zu finanzieren. „Da lassen sich ein paar Milliarden an Privatisierungserlösen lukrieren“, sagte Felbermayr am Donnerstag vor Journalisten im Klub der Wirtschaftspublizisten. „Um Budgetlöcher zu stopfen und Wahlgeschenke zu finanzieren, dafür sind die Assets aber zu wertvoll.“

Ein ÖBAG-„Zukunftsfonds“ könne helfen, innovative Wirtschaftsbereiche mit neuen Geschäftsmodellen aufzubauen und den Zugang zu Wagniskapital zu verbessern, sagte der Wifo-Chef. Man müsse aber bei einer weiteren Teilprivatisierung bedenken, dass die Staatsbeteiligungen in den vergangenen Jahren mit ihren Gewinnausschüttungen eine gute Kapitalrendite geliefert hätten.

Staatsanteil im Vergleich zu Deutschland hoch

Die ÖBAG verwaltet die Staatsbeteiligungen für die Republik Österreich. Der ÖBAG-Anteil liegt bei der Österreichische Post AG bei 52,85 Prozent, beim Stromkonzern Verbund bei 51 Prozent, beim Öl- und Gaskonzern OMV bei 31,50 Prozent und bei der A1 Telekom Austria bei 28,42 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland gehören rund 17 Prozent der Deutschen Post der öffentlichen KfW Bankengruppe und 12 Prozent der Commerzbank der Bundesrepublik. Bei der Deutschen Telekom sind die KfW mit 14 Prozent und der deutsche Bund mit 13,8 Prozent engagiert.

Große Privatisierungswelle unter Grasser und Schüssel bis 2006

Zwischen 2000 und 2006 zog sich der österreichische Staat unter dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) aus Unternehmen teilweise zurück, etwa bei der Telekom Austria und Post oder verkaufte seine Anteile komplett, etwa bei PSK, Buwog, Austria Tabak, voestalpine und Dorotheum. Fast alle der damals durchgeführten Privatisierungen wurden von der Opposition kritisiert, entweder weil der Verkaufspreis zu gering oder die Beraterkosten zu hoch waren. Seit dem Ende der Schüssel-Grasser-Ära Anfang 2007 stand der Verkauf von Staatseigentum nicht mehr auf der Agenda der Regierung.

Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 mussten die Banken Hypo Alpe Adria und die Kommunalkredit notverstaatlicht und die Volksbanken AG (ÖVAG) teilverstaatlicht werden. Die notleidenden Kredite wurden mit einer sogenannten „Bad Bank“ abgebaut und die gesunden Teile der Finanzinstitute wieder verkauft.

Bis 2029 „erhebliche Sparmaßnahmen“ notwendig

Nach dem am Dienstag präsentierten Doppelbudget 2025/26 sieht Felbermayr für die Bundesregierung auch bis 2029 großen Reform- und Sparbedarf. Es brauche „erhebliche Sparmaßnahmen“ und Strukturreformen, um Impulsprogramme für den Wirtschaftsstandort zu finanzieren, sagte Felbermayr. „Damit es wieder Zuversicht gibt, braucht es eine Reformagenda und einen langfristigen Plan.“

Von der ÖVP/SPÖ/NEOS-Regierung wünscht sich der Spitzenökonom „einen glaubwürdigen Pfad für Lohnnebenkostensenkungen, Maßnahmen zur Energiekosten-Reduktion und zum Bürokratie-Abbau. Erst dann werde sich die Stimmung bei den Unternehmen aufhellen und die Investitionstätigkeit wieder steigen. Verbesserungen der „Standortqualität“ könne man teils mit einer Reduktion der klimaschädlichen Subventionen gegenfinanzieren, so Felbermayr. Finanziellen Spielraum für die öffentliche Hand sieht der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) bei der Valorisierung der Mineralölsteuer und einer Pendlerpauschale- sowie Dieselprivileg-Reform.

Herausforderung Pensionen

Um das Thema Pensionen wird die Politik in den kommenden Jahren wohl nicht herumkommen. Es brauche weitere Maßnahmen, um den Pensionskostenanstieg zu bremsen, weil diese sonst bis 2029 „dramatisch steigen“, so der Wifo-Chef. Die Regierung müsse das „effektive und das gesetzliche Pensionsalter zusammenbringen“ und langfristig „die Koppelung des Pensionsalters an die Lebenserwartung“ einführen. „Solche Reformen soll man angehen.“

Der Wifo-Direktor lobt die Budgeterstellung durch die neue Bundesregierung. ÖVP, SPÖ und NEOS sowie Markus Marterbauer (SPÖ) als „neuer noch unerfahrener Finanzminister“ hätten ohne Streit „ein relativ drastisches Sparpaket geschnürt“. „Es ist im historischen Vergleich ein großes Sparpaket“, erklärte Felbermayr.

„Nicht krisenfest“

Nach den Plänen der Regierung soll das Budgetdefizit von 4,7 Prozent im Vorjahr auf heuer 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinken. Im nächsten Jahr soll es 4,2 Prozent betragen und 2028 will die Regierung wieder aus dem (sich anbahnenden) EU-Defizitverfahren herauskommen. „Die Schuldenquote bleibt hoch. Krisenfest ist der mittelfristige Budgetplan nicht“, kommentierte der Wifo-Chef die Budgetpolitik der Regierung. Damit die Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand auch so eintreten wie budgetiert, müssen sich die österreichische Wirtschaft und die Steuereinnahmen so entwickeln wie prognostiziert. Das Wifo erwartete Ende März für heuer einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent und für 2026 ein Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent. Wifo-Chef Felbermayr ortet einige Konjunkturnachrichten, „die darauf hindeuten“, dass die Wirtschaftsprognose hält.