Sauberes Wasser aus der Leitung, Strom aus der Steckdose, volle Regale im Supermarkt. „Den ersten Lottosechser haben wir gemacht, als wir hier in Österreich auf die Welt gekommen sind“, weiß Alexander Reicher. Für den Anästhesiepfleger aus Geistthal-Södingberg ist ein hoher Lebensstandard keine Selbstverständlichkeit. Am 1. Februar ist der 33-Jährige von einem zweiwöchigen Einsatz der deutschen Hilfsorganisation Hammer Forum aus Westafrika zurückgekehrt.
In Guinea-Bissau war er als einziger Österreicher Teil eines neunköpfigen Teams, das täglich von früh bis spät Kinder untersuchte und operierte. Die Bevölkerung hat kaum Zugang zum Gesundheitssystem, Behandlungen und Medikamente sind für viele unerschwinglich. „Die Armut ist gigantisch, man kann sich gar nicht vorstellen, was es bedeutet, nichts zu haben“, sagt Reicher. Der Großteil der Bevölkerung in Guinea-Bissau lebt auf Selbstversorgungsniveau, in der ländlichen Region gibt es praktisch keine Einkommensmöglichkeiten.
Medizinische Hilfe für Kinder in Krisengebieten
In zehn Tagen konnte das Team des Hammer Forums 153 Kinder untersuchen und 57 davon operieren. Operiert wurden vor allem Nabel- und Leistenbrüche, Brüche an Armen und Beinen, aber auch Zysten und Tumore, manche Kinder kamen mit sechs Fingern oder Zehen. Wäre das Team Wochen später in Guinea-Bissau eingetroffen, hätten viele Kinder wohl nicht überlebt. „Selbst kleine Infektionen können ohne Behandlung zum Tod führen. Bevor die Menschen in ein teures Krankenhaus gehen, suchen sie einen Medizinmann auf. Ob man lebt oder nicht, ist für sie gottgewollt, sie haben eine andere Einstellung zum Tod, er gehört für sie zum Leben dazu“, erzählt Reicher.
Dennoch seien die Einheimischen unendlich dankbar für die Hilfe. Sie halfen Reicher und seinen Kollegen etwa bei einer Autopanne (Straßen und die allgemeine Infrastruktur in Guinea-Bissau sind katastrophal), und auch wenn sie verschiedenen Religionen angehören, gebe es keine Ausgrenzung. „Sie haben ganz andere Sorgen als wir, ich glaube aber nicht, dass sie das Gefühl haben, dass es ihnen schlecht geht“, sagt Reicher. „Kinder müssen bei 38 Grad Wasser vom Brunnen holen, den schweren Eimer nach Hause tragen und spielen mit Autoreifen, aber sie sind so aufgewachsen und kennen nichts anderes.“
Dankbarkeit ist die schönste Belohnung
Von der Hilfe vor Ort profitieren die Menschen am meisten, so Reicher. Gearbeitet wurde in einer angemieteten Krankenstation, die eher einem Lazarett glich. „Wir sind jeden Tag näher zusammengewachsen und haben gelernt, mit wenigen Geräten das Maximum herauszuholen“, erzählt Reicher von der harmonischen Zusammenarbeit der Ehrenamtlichen in einem fremden Land. „Die Erfahrungen, die man sammelt, die persönliche und fachliche Weiterentwicklung und zu sehen, was das eigene Engagement für die Menschen bewirkt, ist viel mehr wert als jeder Lohn“, sagt der Weststeirer, der vor acht Jahren als Quereinsteiger zur Feuerwehr Geistthal kam und sich im Rettungswesen engagiert.
Zurück in seiner Heimat sieht Reicher das Leben mit anderen Augen. Lebensmittel haben für ihn einen anderen Stellenwert bekommen, er achtet darauf, kein Wasser zu verschwenden und bewusst mit Ressourcen umzugehen. „Am Ende war ich froh, wieder bei meinem Sohn und meiner Frau zu sein“, sagt Reicher und weiß schon jetzt: „Es war eine aufregende Zeit und ich werde so etwas ganz sicher wieder machen.“