Mit 60 km/h geht es abwärts, zehn Zentimeter zwischen Körper und Asphaltstraße, maschinelle Bremsen – Fehlanzeige. Die Union WSV St. Nikolai im Sausal Sektion Rodeln trainiert mit ihren Sommersportrodeln auf kurvigen Asphaltstraßen in der Region. Rodeln in der Südsteiermark? "Zuerst wurden wir als Flachlandler belächelt, dann haben wir in Tirol einen Erfolg nach dem anderen gefeiert, im Winter wie im Sommer. Jetzt lacht keiner mehr", sagt Trainer Karl Hartinger und begibt sich auf seinen Streckenposten.

Eine steile und kurvenreiche Straße in Heimschuh dient als eine von vielen Sommertrainingsstrecken des Vereines. Damit kein Auto in die Quere kommt, gibt es Streckenposten, die die Straße während der Abfahrt kurzzeitig sperren. Oben sticht die Sonne herab, unten glüht der Asphalt. Helm und Brille auf, Handschuhe an, bereit machen zur Abfahrt. "Schön die Füße oben halten, sonst geht die Geschichte nicht gut aus", sagt Luca Reininger, der die Zweisitzerrodel bereit macht.

Der 16-Jährige hat unter anderem bereits einen Cupsieg und den Europameister in der Tasche. An der Zweisitzerrodel sind links und rechts zehn kleine Rollen angebracht. Gebremst wird mit den Füßen. Genauer gesagt mit den Spezialschuhen des 16-Jährigen. Die Sohlen bestehen aus einem Material, aus dem auch Autoreifen hergestellt werden, erklärt Luca, während er sich die Handschuhe anzieht.

"Drei, zwei, eins, ab"

Langsam rollt die Rodel zum Start, wo Andrea Petzl mit dem Funkgerät bereitsteht. "Nicht vergessen, in die Kurve reinlegen", sagt der Europameister noch. "Strecke bereit. Drei, zwei, eins, ab", ertönt es aus dem Funkgerät. Schon taucht Luca mit den Händen an, um rasch Fahrt aufzunehmen. Es geht abwärts. Die Geschwindigkeit steigt. Adrenalin ebenfalls. Erste Kurve. Rechts reinlegen. Luca streckt die Hand raus und auf den Asphalt. Das Geräusch vom Abschleifen der beschichteten Fläche auf der Handschuhinnenseite dringt ins Ohr. Nur kurz, schon vorbei, weiter. Hartinger taucht als erster Streckenposten vor der nächsten engen Kurve auf. An Bremsen ist nicht zu denken. Luca kennt die Strecke und jeden einzelnen Abschnitt.

Mit rund 60 km/h durchs Ziel

Wrums. Kleine Steinchen fliegen seitlich von der Straße. Die Rodel rast auf der Asphaltkante entlang, Millimeter vom Bankett entfernt. Linkskurve. Das Gewicht wird nach links verlagert. Die Fliehkraft zeigt ihre Wirkung. Die Rodel zieht nach rechts. "Auf der Geraden jetzt zurücklegen", ruft der 16-Jährige. Schon kommt eine Rechtskurve. Da taucht der zweite Streckenposten und das Ziel auf. Mit 60 km/h rast die Rodel durchs Ziel. Reifen quietschen, nein, Sohlen quietschen. Der 16-Jährige bremst routiniert mit den Spezialschuhen ab. Zeit: 1:06.

Luca setzt den Helm ab und ein Grinsen auf: "Gar nicht so schlecht", sagt er. Normalerweise fahren er und Vereinskollege Gregor Petzl solo. Letzterer ist seit eineinhalb Jahren dem Rodeln und der Geschwindigkeit verfallen. "Wir haben eine starke Jugend, aber auch Erwachsene, die mit Leib und Seele rodeln", zeigt Trainer Hartinger auf, bevor er durch das Funkgerät das Startsignal für Gregor gibt. Angst vor hoher Geschwindigkeit dürfe man tatsächlich keine haben. "Meistens ist man mit 70 oder 80 km/h unterwegs, es gibt aber auch Strecken, wo man die 100 km/h schafft", erklärt der frühere steirische Meister weiter. Natürlich nur für Fortgeschrittene.