Eine Blume ziert die Bleiglastüre, die in die Küche des ländlichen Wohnhauses führt. Früher lebte hier die Familie Radaschitz. Der vorherrschende Baustoff ist hier allerdings Holz. Urgroßvater Johann I. war bereits Tischler. Sein Sohn fertigte die Möbel in den Siebzigerjahren selbst. Gewohnt wird hier, im Schatten der Riegersburg, nicht mehr. Heute sind die Räumlichkeiten die Schaltzentrale für den Tischlerbetrieb der Familie. Hier werden viele der Maschinen gesteuert, die sich in der Werkstatt im Stockwerk darunter befinden.

"Man stellt sich eine Tischlerei vielleicht vor wie die vom Meister Eder bei Pumuckl. Das ist es schon lange nicht mehr", erklärt Geschäftsführer Hannes Radaschitz bei einem Rundgang durch die Werkstatt. Der Duft von frisch geschnittenem Holz liegt in der Luft. Man spürt die Authentizität des Familienbetriebs. Das schätzen auch die Kunden. Dass Tischlerhandwerk "made in Austria" international angesehen und die Nachfrage groß ist, erkannten die Brüder schnell.

Aus Riegersburg den Weltmarkt erobert

2006 gründete Radaschitz mit seinem Bruder Bernd zunächst die Firma "Interior-iD" mit Sitz in London. Zwei Jahre später übernahm Hannes die Geschicke in Riegersburg, Bernd führt seither die internationalen Geschäfte. "Unser Wachstum war eigentlich immer organisch", sagt Zweiterer. Nach 18 Jahren im Ausland ist sein leichter englischer Akzent nicht zu überhören.

In der Werkstatt wird fleißig gebohrt, geschliffen und geschnitten. Nicht alles ist maschinell betrieben. Die rund 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Riegersburg sind teilweise schon seit Jahrzehnten im Betrieb. Jeder Handgriff sitzt. "Sie sind absolute Experten und Fachleute", weiß Firmenchef Hannes. Mittlerweile erobert man mit der Marke Lanserring den Weltmarkt. New York, Hongkong, Abu Dhabi. Der Fokus liegt auf Luxusküchen.

In der Werkstatt der Tischlerei Radaschitz entstehen Luxusküchen
In der Werkstatt der Tischlerei Radaschitz entstehen Luxusküchen © Jakob Illek

Die Küche als Einstiegsdroge

"Wir spielen hier wirklich in der Champions League des Tischlergewerbes", sagt Bernd Radaschitz mit vollstem Selbstvertrauen. Die maßgeschneiderten Küchen sind ab 200.000 Euro aufwärts zu haben und bedienen "die 0,001 Prozent". Staatsoberhäupter, Oscar-Preisträger und sogar Königshäuser. Wer die Kunden sind, ist streng geheim. In der Werkstatt hängen Pläne für eine Whiskey-Bar eines Kunden. "Küchen sind für unsere Kunden nur die Einstiegsdroge", weiß Radaschitz. Statt eines Gemäldes wird ein Rennauto die Wand zieren.

Die Verbindung zu den steirischen Wurzeln blieb immer stark. "Unsere Vision ist es, mit Lanserring da auch ein Sprungbrett für das Tischlerhandwerk zu sein. Wir wollen international eine Perspektive bieten", meint der zweifache Familienvater. Einen Fachkräftemangel verspüre man dennoch. Trotz der regionalen Dichte an ausgezeichneten Betrieben. Das wollte man nutzen. Radaschitz spricht von der "Phase 3.0".

Keine zehn Autominuten von der Tischlerei Radaschitz steht in der "Grünen Lagune" in Fehring die Werkstatt der Firma Cserni. Einer dieser "ausgezeichneten Betriebe". Schon der Eingangsbereich zeigt, dass auch hier Qualitätshandwerk betrieben wird. Die Parallelität der beiden Firmen ist bemerkenswert. "Wir wollten die Wertschöpfung der Region für einen größeren Markt anbieten", erklärt Geschäftsführer Andreas Dornik.

Die Möbel müssen perfekt sein, bevor sie international verschifft werden
Die Möbel müssen perfekt sein, bevor sie international verschifft werden © Jakob Illek

Kooperation als Vorbild

Es sei naheliegend gewesen, die Stärken der beiden Firmen auf diesen Märkten zusammenzuführen, sind sich die Geschäftsführer einig. Schon in der Vergangenheit war Cserni als Sub-Auftragsnehmer für die Firma Radaschitz tätig. "Wir haben aber die Kapazitäten nicht und irgendwann haben wir erkannt, dass es sinnvoll ist, unsere Zusammenarbeit zu intensivieren", sagt Bernd Radaschitz. Vor Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen. Der Konkurrenzkampf war zu groß. So will man auch Vorbild für andere Betriebe sein.

Beim Gang durch das flächenmäßig deutlich größere Werk zeigt sich, dass auch die Arbeitsprozesse ähnlich wie bei der Firma Radaschitz sind. Mit kritischem Blick überprüfen die Geschäftsführer gemeinsam mit Werksleiter Erwin Braunstein matt-schwarze Elemente eines Schrankes. Alles muss perfekt sein, bevor die Möbel in maßgefertigten Kartons gepackt und im Container verschifft werden. Diese Küche geht für einen Großauftrag nach Miami. "Mit Spezialauftrag für das Homeoffice. For him and her (etwa 'Für ihn und sie', Anm.)", verrät Radaschitz. Eines ist klar: Der Weltmarkt ist längst süchtig nach steirischem Tischlerhandwerk.