Das Wort "Konversionstherapie" nimmt Heidi (Name von der Redaktion geändert) kein einziges Mal in den Mund. Die zierliche Frau spricht beim Thema Homosexualität stattdessen von einer "Krankheit", einer "geistigen Störung", "einer Neigung, die korrigiert gehört". Heidi therapiert Homosexuelle am Hagiotherapie-Zentrum in Graz. Schwulen und lesbischen Menschen, die zu ihr kommen, verspricht sie "Heilung".
Wie ihre Behandlung aussieht, hat sich die Kleine Zeitung in einer Recherche angesehen. Sechs Wochen besuchte die 25-jährige Verena Bauer die Einrichtung und gab sich dort als "Patientin" aus (ihren Erfahrungsbericht lesen Sie hier).

Hagiotherapie strebt wissenschaftliche Anerkennung an

In der ersten Therapiestunde wurden ihre Daten aufgenommen: "Geschlecht, Alter, Problem", also der Grund für den Therapiebesuch. Die Einrichtung sammle die empirischen Daten, um die Therapie in Zukunft wissenschaftlich anerkennen zu lassen, heißt es von der Institution. Heidi empfiehlt ihrer Patientin Meditation mehrmals täglich, und sich von ihren Freunden abzukapseln. Stattdessen sollte sie den Anschluss an die Loretto Gemeinschaft suchen. 2022 stand die Gruppierung im Fokus, als sich eine ihrer Mitarbeiterinnen zur "Geweihten Jungfrau" weihen ließ, 2020 wurde die missionarisch-fundamentale Bewegung medial heftig kritisiert, der Verein würde die sozialen Kontakte der Mitglieder kontrollieren – Homosexualität wird in dieser Gemeinschaft nicht toleriert. Das bestätigt auch ein ehemaliges Loretto-Mitglied gegenüber der Kleinen Zeitung (Name der Redaktion bekannt).

Bauer wird in der Therapie immer wieder damit konfrontiert, dass sie "nicht gesund" sei. Heidi vergleicht die Homosexualität mit einem "gebrochenen Fuß" und einer "Alkoholsucht". "Du darfst nicht an den Schmerz oder die Flasche denken, musst dich bewusst dagegen entscheiden", bläut ihr die Therapeutin ein, so könne sie ihre Sexualität verdrängen.

Gesetzesentwurf liegt bei ÖVP

Mit einem neuen Gesetz sollen derartige Therapien nun endgültig verboten werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird derzeit zwischen ÖVP und Grünen abgestimmt. Zwar kündigte Justizministerin Alma Zadić bereits vor einem Jahr an, das Gesetz schon im Sommer 2022 durchzubringen, auch der Nationalrat kam bereits zweimal – Juli 2019 und Juni 2021 – einstimmig zu dem Entschluss, Konversionstherapien gesetzlich zu verbieten, zum fertigen Entwurf kam es jedoch erst im Oktober 2022.

Das bestätigt jetzt Grüne LGBTIQ-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic. Der Gesetzesentwurf liegt derzeit beim Koalitionspartner. Von der ÖVP gibt es auf Nachfrage keine Information darüber, wann das Gesetz kommt: "Es müssen noch Experten befragt werden", sagt VP-Sprecher Peter Treml.

Im Entwurf definiert ist auch der Begriff "Konversionstherapie". Und welche Strafen drohen, sollte sie durchgeführt werden. Ernst-Dziedzic: "Das Gesetz richtet sich gezielt an 'schwindlige Vereine'. Die Strafbestimmung ist individuell, wir haben uns aber stark an Deutschland und Frankreich orientiert." In Deutschland werden Verstöße mit einem Bußgeld bis zu 30.000 Euro geahndet. Das Verbot richtet sich gegen jegliche Therapiemaßnahmen, die Einfluss auf die sexuelle Orientierung von Personen nehmen. Auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, hat letzte Woche die EU-Staaten zum Verbot der Konversionstherapien aufgerufen.

Begründer: "Schwule und Lesben sind Anomalien"

Dieses Gesetz würde das Angebot des Hagiotherapie-Zentrums in Graz verbieten. Die Einrichtung gibt es seit den späten 1990er-Jahren. Die Hagiotherapie verspricht die "geistige Heilung" von Menschen, wobei diese Therapieform weder medizinisch noch wissenschaftlich anerkannt ist. Ihr Begründer, der umstrittene und mittlerweile verstorbene kroatische Fundamentaltheologe Tomislav Ivanćić – im Therapiezentrum von allen nur "Professor" genannt – kämpfte jahrelang für wissenschaftliche Anerkennung. Bei einem Fachkongress im Oktober 2007 am LKH Universitätsklinikum zu "Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie" referierte Ivanćić über Heilung bei Homosexuellen. In seinen Büchern bezeichnet er Schwule und Lesben als "Anomalien". Wenn Männer oder Frauen mit dem eigenen Geschlecht eine Beziehung haben, führe das zu "Traumata, Frustrationen und Schuldgefühlen", schreibt Ivanćić.

Die katholische Kirche distanziert sich von Ivanćić, lehnt Konversionstherapien ab, Homosexualität ist keine Krankheit, heißt es sowohl von der Österreichischen Bischofskonferenz als auch von der Diözese Graz-Seckau. Das Hagiotherapie-Zentrum wollte keine weitere Stellungnahme mehr abgeben.