Es ist keine einfache Sache, irgendwo Grenzwerte einzuführen und dann zu überprüfen, ob und wie sie eingehalten werden. Ein Paradebeispiel ist die Automobilbranche, wo es etwa um die Einhaltung der Emissionswerte geht. Wie komplex die Sachlage ist, zeigt sich exemplarisch an der Grazer Firma AVL DiTEST. Die Firma beschäftigt knapp 350 Mitarbeiter. In Graz-Eggenberg werden hochpräzise Mess- und Prüfgeräte, die in den Prüforganisationen (etwa TÜV) und Werkstätten weltweit verwendet werden, entwickelt. "Wir sind weltweit führend", betont Geschäftsführer Gerald Lackner. Die Geschäftserfolge können sich sehen lassen: Trotz eines zeitweiligen kleinen Einbruchs im Pandemiejahr 2020 schnellte der Umsatz von 51 Millionen Euro auf knapp 72 Millionen Euro im letzten Jahr. Händeringend sucht man weiteres Personal.
Eben jetzt geht in Europa eine bedeutende Änderung bei der Abgasmessung in die Zielgerade, und AVL DiTEST ist überzeugt, dabei die Nase vorne zu haben. Ab 2023 soll die Abgasüberprüfung auf eine Partikelmessung umgestellt werden. Hintergrund dabei ist einerseits, dass die immer besser optimierten Motoren immer kleinere Rußpartikel ausscheiden. Das ist zwar grundsätzlich erwünscht, aber die kleinen Partikel (zwischen 20 und 300 Nanometer) bereiten messtechnisch erhebliche Probleme. Mit einer simplen Messung wie früher (quasi, wie "verrußt" der Abgasstrom ist) kommt man nicht mehr weiter. Eine Messung der Partikelkonzentration ist aber wesentlich, um beispielsweise die korrekte Funktion des Partikelfilters zu überprüfen.
20 Prozent für Forschung und Entwicklung
Die enorm starke Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei AVL DiTEST (20 Prozent des Umsatzes geht in F+E) nahm sich der Aufgabe an, eine Messtechnik zu entwickeln, die zuverlässig und schnell die winzigen Nanopartikel messen kann und die im Betrieb robust und für die Werkstätten erschwinglich ist.
"Es gibt immer verschiedene Mitspieler: Zum einen ist da der Gesetzgeber, der die Grenzwerte absenken will. Die Autohersteller wollen, dass die Kunden möglichst wenig mit Messungen belästigt werden. Die Werkstätten wiederum benötigen leistbare Prüfgeräte, die schnell messen. Und wir wollen gute Messgeräte entwickeln und sie dann auch verkaufen." Grenzwerte können de facto ja nur dann sinnvoll gesenkt werden, wenn auch klar ist, wie man sie technisch überhaupt erreichen und wie man sie vernünftig überprüfen kann. Deshalb sitzen Politiker, Juristen, Techniker und Branchenvertreter oft jahrelang zusammen, ehe es zu Änderungen kommt.
Was haben die Grazer nun entwickelt? "Am Anfang haben wir sehr aufwendig untersucht, welche physikalischen und chemischen Möglichkeiten überhaupt in Betracht kommen, diese Partikel zu messen", berichtet Physiker Mario Schriefl. Die Aerosolphysik sei äußerst komplex.
Hochspannung, aber winzige Ströme
Den Zuschlag erhielt ein Verfahren, bei dem durch ein hohes elektrisches Feld Ladungsträger erzeugt werden, die sich im Abgasstrom an die Partikel heften und dann quasi als eine Art Messstrom ausgelesen werden können. "Wir haben dabei sehr hohe Spannungen im Kilovolt-Bereich, aber wir müssen ganz winzige Ströme messen", umreißt Schriefl die Herausforderung. Ach ja: Öl- oder Wassertröpfchen – beim Verbrenner unausweichlich – dürfen die Messung nicht beeinflussen.
Sein Kollege Klaus Schulte als Produktmanager hat die Aufgabe, ein für den Werksalltag geeignetes Produkt zu definieren. Der Preis darf etwa 7000 Euro nicht übersteigen, das Gerät muss wartungsarm, aber unter allen Bedingungen extrem zuverlässig sein.
Lackner ist stolz: "Wir haben uns diese Position in den letzten Jahren hart erarbeitet. Aber jetzt sind wir ganz vorne. Wir wollen den Umsatz gegenüber 2020 verdoppeln."