Man nehme eine Schüssel, füge allerlei Zutaten hinzu und rühre das Ganze bis zum gewünschten Ergebnis: Kochrezepte sind einfache Schritt-für-Schritt-Anleitungen, die uns den Alltag erleichtern. Nicht viel anders verhält es sich mit Algorithmen – Handlungsanleitungen zur Lösung eines Problems, die es vor allem in der Informatik zu besonderer Bekanntheit geschafft haben, wo Computerprogramme vorwiegend auf ihnen basieren. „Algorithmen können aber auch das tägliche Leben erleichtern, indem sie uns helfen, unsere Aufgaben effizienter zu erledigen. Diese strukturierte Art zu denken und handeln kommt nicht nur Programmierern zugute“, so Harald Burgsteiner.
Der Professor für Medieninformatik und -didaktik an der PH Steiermark ist Koordinator des EU-Projekts ComeThinkAgain, das sich der Stärkung von zukunftsfähigen Kompetenzen im Unterricht auf europäischer Ebene widmet. Algorithmisches Denken, oder auch „Computational Thinking“, ist eine dieser Kompetenzen. Burgsteiner illustriert das Konzept an einem einfachen Beispiel: „Muss ich als Lehrer einen Stapel an Schularbeitenheften alphabetisch sortieren, kann ich den Stapel auf kleinere Päckchen aufteilen und habe so besseren Überblick. In der Informatik heißt das Prinzip ‚divide and conquer‘, also aufteilen und erobern. Große Aufgaben werden dabei in kleinere, leichter zu lösende Teile zerlegt und dann zu einer Lösung zusammengefügt. Komplexe Probleme lassen sich so effizient angehen.“
Im Forschungsprojekt, an dem neun europäische Länder beteiligt sind, wird daran gearbeitet, wie solche Denkkonzepte besser in den Unterricht integriert werden können. Dabei setzt man zuerst bei den Lehrern in Ausbildung an: „Wir erarbeiten verschiedene Module, die an pädagogischen Bildungseinrichtungen in die bestehenden Ausbildungskonzepte integriert werden können. Dazu haben wir ein System zur Zertifizierung entwickelt, ähnlich den europäischen ECTS-Punkten“, sagt Burgsteiner. Bei der Entwicklung der sogenannten „Micro-Module“ sind auch die Anforderungen eingeflossen, die von der Europäischen Kommission sowie von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Standpunkten vorgegeben wurden. Burgsteiner: „Im Endeffekt geht es darum, Kindern und Jugendlichen nicht nur Faktenwissen in der Schule mitzugeben, sondern sie auch mit zukunftsfähigen Kompetenzen auszustatten.“
Zu diesen Kompetenzen zählen auch „Green Skills“, wie es in der Projektbeschreibung heißt. Darunter verstehen die Initiatoren vor allem Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. „Wichtig dabei ist, ein Verständnis dafür zu erzeugen, dass wir alle Teil der Natur sind, die es zu schützen gilt. Kinder sollen lernen, mit der Natur zu leben und wie auch kleine Veränderungen im Alltag eine positive Wirkung entfalten können“, sagt Burgsteiner. Er meint damit die sogenannten „low hanging fruits“, also einfach zu erreichende Nachhaltigkeitsziele, die leicht in den täglichen Ablauf integriert werden können. Wichtig sei dabei, nicht mit erhobenem Zeigefinger zu agieren – sondern vielmehr die Auswirkungen vor Augen zu führen, die kleine Verhaltensänderungen mit sich bringen.
Als dritten Aspekt konzentriert sich das Projektteam auf die Förderung von Unternehmensgeist bei Kindern und Jugendlichen. Im Modul „Entrepreneurship und Innovation“ geht es darum, das wirtschaftsorientierte Denken aus spezialisierten Schultypen auch in die allgemeinen Bildungsinstitutionen zu überführen. „An HTL und HAK wird schon sehr projektorientiert gearbeitet, in Abschlussarbeiten entstehen Produkte und Ideen, die in weiterer Folge oft umgesetzt werden. Diesen Zugang möchten wir in alle Schulformen bringen“, sagt Burgsteiner.
Dazu brauche es keine neuen Unterrichtsformate oder zusätzliche Stunden, so sein Ansinnen. Vieles ließe sich unter anderem im Biologie-, Geographie- und Wirtschaftskundeunterricht einbetten, auch die Informatikstunde biete gute Ansatzpunkte für die Kompetenzentwicklung. „Manches vom bestehenden Stoff müsste man straffen. Aber müssen wir in digitalen Zeiten wirklich noch so viele Fakten auswendig lernen?“