„Adventkalender gab es früher keinen bei uns, wir hatten nur einen Adventkranz.“ Die 93-jährige Leopoldine Hopfer sitzt an ihrem Tisch in ihrer Grazer Wohnung im Bezirk Gries. Eine leere Kaffeetasse steht neben ihr, ein kleiner Engel aus Holz ziert den Tisch, auch ein Teller Kekse darf nicht fehlen. Ihr Gegenüber sind ihre beiden Urenkel, Matthias und Florian Payer, 83 und 81 Jahre trennen sie von ihrer Uroma. Das Weihnachtsfest, das sie erleben, unterscheidet sich zwar grundlegend von jenem ihrer Uroma, Gemeinsamkeiten gibt es dennoch. „Habt ihr damals auch schon gemeinsam Kekse gebacken?“, will der zwölfjährige Florian wissen. Ein Lächeln breitet sich über das Gesicht der Rentnerin aus. „Die Kekse, die ihr gerade esst, haben wir schon in meiner Kindheit gebacken. Das Rezept ist über 100 Jahre alt, schon meine Oma hat sie so gebacken.“
Auch der Adventkranz der beiden Generationen ähnelt sich, wie die beiden Buben herausfinden. Vier Kerzen, Reisig, wenig Schmuck – und vor allen Dingen selbstgemacht. „Die Oma hat unseren Kranz gemacht“, weiß Matthias Payer. Und einen Christbaum hatte seine Uroma auch, allerdings einen kleineren, wie sie sich erinnert. „Er stand immer auf einem Tisch und darunter fanden die Geschenke Platz.“ Während das Christkind Speicherkarten, Videospiele und „Lego, jede Menge Lego.“ in vergangenen Jahren für die Buben unter den Christbaum gelegt hat, gab es für Uroma Leopoldine Hopfer in ihrer Kindheit Hausschuhe und Nachthemden. „Süßigkeiten gab es auch nicht, nur Kekse.“ „Kekse sind doch auch gut“, findet Florian.
Das schönste Geschenk
Hopfers schönstes Geschenk hatte allerdings keinen materiellen Wert, wie sie ihren Urenkeln erzählt. „1943 stand auf einmal mein Onkel Hans vor der Tür, der immer wie ein Mentor für mich war. Er war im Krieg an der Front und wir hatten lange keinen Brief mehr von ihm bekommen, also wussten wir nicht, ob er noch lebt. Und dann stand er auf einmal in Uniform vor unserer Tür. Er war zu Fuß von Judenburg nach Hause gegangen.“
Wie der Heilige Abend aussah, wollen die Buben natürlich auch wissen. Bekam die Uroma auch Besuch vom Christkind? Was gab es zu essen? „Ich komme aus einer Jäger-Familie, und meine Aufgabe war es immer, das Wild zu treiben, auch am Heiligen Abend. Doch das war der einzige Tag, an dem nicht geschossen wurde. Es war, als hätten die Tiere es gespürt, denn die Tiere ließen sich seelenruhig beobachten.“ Bis zur Hüfte stand der Schnee, erinnert sich die 93-Jährige, „bei uns schneit es nicht mehr so viel“, stellen ihre Urenkel fest. Auch der Rosenkranz wurde gebetet, und „Stille Nacht“ gesungen – ein Lied, das auch die beiden Brüder kennen. Beide spielen mehrere Instrumente, also geht es auch heute am Heiligen Abend noch musikalisch zu.
Ein Hahn im Pudding
Selbstgemachte Selchwürstel mit Kren und Senf kamen auf den Tisch, nach der Mette wurden die Tiere im Stall besucht. „Schließlich heißt es, dass sie am Heiligen Abend sprechen können“, verrät Hopfer geheimnisvoll. Eine Geschichte, die Matthias seiner Uroma nicht ganz abkauft. „Letztes Jahr habe ich versucht, mit unserer Katze zu sprechen, aber sie hat nicht geantwortet“, zeigt er sich enttäuscht. Zum Nachtisch kam Pudding auf den Tisch, erzählt Hopfer weiter. „Mit einem guten Schuss Rum.“ In Messingschüsseln wurde dieser zum Kühlen nach draußen gestellt. „Einmal hat sich der Hahn daran bedient, und hatte ein ganz gelbes Gesicht. Davon hat meine Mutter uns aber erst viel später erzählt, weil wir den Pudding sonst wohl nicht mehr gegessen hätten“, erzählt sie lachend. „Damals waren Lebensmittel kostbar, nichts wurde weggeschmissen.“
Schockiert sind die Kinder allerdings weniger vom Pudding fressenden Hahn, sondern vom Rum im Pudding. „Darf man das als Kind? Wir bekommen nur Kindersekt. Und Pudding gibt es bei uns auch, aber ohne den Rum.“ „Das durfte ich damals nur an Weihnachten“, sagt Hopfer augenzwinkernd.