Als am Samstagabend gegen 22.20 Uhr der Schlusspfiff im Berliner Olympiastadion ertönte, schnappte sich BVB-Abwehrchef Mats Hummels den Ball und übergab ihn nicht etwa dem Schiedsrichter.

Nein, der 31-Jährige trug das Spielgerät an allen vorbei und drückte es in die Hände von Matchwinner Erling Haaland. Der Angreifer hatte sich dieses Andenken (erneut) redlich verdient, hatte er doch mit seinem ersten Bundesliga-Viererpack dafür gesorgt, dass die Borussia einen Halbzeitrückstand gegen Hertha BSC am Ende in einen 5:2-Kantersieg drehte.

Haaland schoss viermal aufs Tor, viermal zappelte der Ball im Netz - Effizienz pur! Dass der Norweger eine Art Lebensversicherung für die Westfalen darstellt, ist nicht erst seit seinem hauptsächlich im zweiten Durchgang überragenden Auftritt gegen die Alte Dame bekannt. Dass er diese Leistung nach einer für ihn persönlich turbulenten Woche und einer unauffälligen ersten Halbzeit, mit gerade einmal 20 Jahren auf den Platz brachte, ist dabei jedoch umso erstaunlicher und zeigt, wie weit er bereits in seiner Entwicklung ist.

Quarantäne-Chaos: Haaland-Einsatz stand auf der Kippe

Dabei war zunächst unklar, ob Haaland überhaupt auflaufen darf. Nach einem positiven Coronafall in der norwegischen Nationalmannschaft hieß es, der Torjäger müsse sich in eine zehntägige Quarantäne begeben.

Andernfalls drohten laut norwegischen Infektionsschutzgesetzes eine Geldstrafe oder gar eine Gefängnisstrafe. Kurzzeitig war sogar von einem Ausreiseverbot die Rede.

Während der Verband darauf verwies, dass der Spieler bei seiner Abreise den Anordnungen zugestimmt habe, widersprach der BVB. Das letzte Wort hatte dabei das örtliche Gesundheitsamt in Dortmund - und das gewährte dem Stürmer grünes Licht.

BVB: Haaland überragt im Moukoko-Hype

Der Hype um Wunderkind Youssoufa Moukoko und dessen anstehendes, historisches Bundesliga-Debüt nahm Haaland dann nach der Rückkehr nach Dortmund aus dem Rampenlicht.

Haaland selbst adelte das erst am vergangenen Freitag 16 Jahre alt gewordene Sturm-Juwel am DAZN -Mikro als derzeit "größtes Talent der Welt", Moukoko träumte unterdessen bereits im Vorfeld von einem zukünftigen Angriffs-Duo mit dem Goalgetter.

Zunächst beobachtete die Nachwuchshoffnung im Berliner Olympiastadion jedoch, wie der gegenwärtige Dortmunder Torgarant sein Team in eindrucksvoller Manier zum Sieg schoss.

BVB-Matchwinner Haaland: Zaubertrank zur Pause

Im ersten Durchgang tat sich Haaland gegen aggressiv und eng verteidigende Herthaner noch schwer, verbuchte lediglich zwei abgeblockte Abschlüsse und vergab eine Riesenchance zum Ausgleich unmittelbar vor dem Pausenpfiff, als er nach einem Zuspiel Raphael Guerreiros eigentlich nur noch den Fuß hätte hinhalten müssen.

Zur Pause hatte Haaland dann die Lösung parat. "Ehrlich gesagt habe ich einen Red Bull getrunken. Dann habe ich ein paar Flügel bekommen und alles war gut", verriet er mit einem Schmunzeln nach der Partie. Es war mehr als "gut": In Halbzeit zwei präsentierte er sich wie ausgewechselt und markierte innerhalb von 15 Minuten einen lupenreinen Hattrick. Weitere 18 Minuten später war der Viererpack perfekt.

Nachdem er beim Ausgleichstreffer nach Vorarbeit von Emre Can goldrichtig gestanden hatte, brillierte er beim zweiten Treffer mit einem seiner gewohnten Tiefenläufe und wurde von Julian Brandt mustergültig bedient. Beim dritten Tor fing er aufmerksam einen Fehlpass der Berliner Hintermannschaft ab und nahm seinem Gegenspieler Omar Alderete per Vollsprint mehrere Meter ab, während er bei seinem vierten Abschluss den Angriff nach starker Balleroberung gegen Matteo Guendouzi selbst einleitete.

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Nach Golden-Boy-Award: Haaland mit Viererpack

Zusätzliche Motivation gab es für den ohnehin als zielstrebig und erfolgshungrig geltenden Youngster noch vor dem Anpfiff: Der Linksfuß wurde von der italienischen Tuttosport zum besten U21-Spieler der Welt gewählt und mit dem Golden-Boy-Award 2020 ausgezeichnet . Damit tritt Haaland in die Fußstapfen von unter anderem Vorjahressieger Joao Felix (Atletico Madrid) oder PSG-Star Kylian Mbappe (2017).

"Heute mit einer schönen Überraschung aufgewacht und den Tag mit vier Toren und einem tollen Sieg beendet", twitterte Haaland im Anschluss an die Partie. Auch die Gastgeber zeigten sich beeindruckt ob der Leistung des jungen Norwegers und teilten den Beitrag mit den Worten: "Maschinen schlafen?" Machines sleep?"

Für "Maschine" Haaland waren es am Ende einer ereignisreichen Woche die Tore 28 bis 31 im 30. Pflichtspiel für die Schwarz-Gelben - und sein erster Viererpack in Deutschlands Beletage. Nie gelangen einem jüngeren Spieler hier vier Tore in einer Begegnung. Hätte ihn Favre nicht fünf Minuten vor Abpfiff für seinen möglichen Partner in spe Moukoko vom Platz genommen, hätte er sein Trefferkonto womöglich noch weiter in die Höhe geschraubt.

Ein zu Scherzen aufgelegter Haaland schilderte bei ESPN die Unterhaltung mit seinem Cheftrainer: "Um ehrlich zu sein, er fragte mich, wie viele Tore ich erzielt hätte. Er meinte: 'Hast Du drei gemacht?' Ich sagte: 'Nein, vier. Nur vier, weil Du mich ausgewechselt hast.' Also bin ich jetzt ein bisschen sauer auf ihn. Aber so ist das nun mal." Seine Hattrick-Bälle nimmt Haaland bekanntlich mit ins Bett, wie das mit Viererpack-Bällen ist, hat er noch nicht verraten.