Die zwei Herzen, die in der Brust von Willi Ruttensteiner schlagen, würden gerne auf Balance pochen, aber es gelingt nicht ganz. Zu viel ist passiert, um das Geschehene ungeschehen zu machen. „Es ist für mich sehr emotional, ein besonderes Gefühl, gegen Österreich zu spielen“, sagt der Sportdirektor des israelischen Fußballverbandes, der in dieser Funktion 16 Jahre für den ÖFB tätig gewesen war, ehe ihm im Zuge der Ablöse von Teamchef Marcel Koller der blaue Brief ausgestellt wurde.

„Man hätte das sicher anders lösen können, respektvoller, nicht mit einer Kündigung“, meint der 56-Jährige heute, aus einer gewissen Distanz, zeitlich, vor allem aber räumlich. Das war im Herbst 2017, inzwischen „habe ich es verarbeitet“.

Ruttensteiner hat sich, sagt er, gut eingelebt in die neue Umgebung und die neue, aber nicht fremde Aufgabe, die er nicht als Revanche am österreichischen Fußballband verstanden sehen will. Wer will schon aus niederen Motiven handeln? „Es ist die Chance, ein Land nach vorne zu bringen.“ Es sei „irrsinnig lässig“, sich wegbewegt zu haben,„herauszukommen aus der Komfortzone.“ Und er spürt die frische Anerkennung in Israel, wo sein Vertrag demnächst verlängert wird.

"Österreich ist Topfavorit"

Auf sportlicher Ebene gebe es noch einigen Nachholbedarf. Ruttensteiner betrachtet Österreich als Gruppenfavoriten, „trotz der Niederlage gegen Polen“. Für Israel wäre es aus seiner Sicht schon ein Erfolg, könnte man Slowenien, Nordmazedonien und Lettland hinter sich lassen.

Zum ÖFB besteht „kein Kontakt“, von einzelnen Personen abgesehen. Präsident Leo Windtner, in der heißen Phase ursprünglich pro Ruttensteiner/Koller, gehört nicht dazu. Der ÖFB-Chef hat sich vorgenommen, „keine Emotionen“ aufkommen zu lassen. Ein schwieriges Unterfangen.

Ruttensteiner habe „sicher viel Positives für den österreichischen Fußball geleistet. Aber es hat für uns keine Relevanz, wer dort eine Funktion ausübt. Das ist vielleicht für die Öffentlichkeit interessant", sagt Windtner. Man sei bemüht, das Thema „vollkommen auszublenden“. Ob das gelingt, sei dahingestellt.