In der „Stadt des Kaffees“ leistet man sich eine eigene Sprache für das wichtigste Produkt der Triestiner – den Kaffee. Der Espresso heißt „Nero“, der Macchiato mit einem Klacks Milch schaum „Capo“ und der Cappuccino „Caffelatte“. Dann gibt es noch Feinheiten wie „Nero in B“, das ist ein Espresso im Glas, oder „Deca“, ein koffeinfreier Kaffee. Sie haben eines gemeinsam: In Triest ist der „caffè sempre buono“.
Nirgendwo sonst in Italien wird mehr Kaffee getrunken. Mit 1600 Tassen pro Jahr und Kopf bringen es die Triestiner auf die doppelte Menge des Durchschnittsitalieners. Hier sind die gerösteten Bohnen, deren Duft über der Stadt zu hängen scheint, Kult.
Das kommt nicht von ungefähr. Im Porto di Trieste landen in ein fachen, braunen Jutesäcken die „chicchi di caffè“ (rohe Bohnen). 2,5 Millionen Säcke pro Jahr sollen es sein – gefüllt mit den Sorten Arabica und Robusta aus den wichtigsten Kaffeeanbaugebieten der Welt.
Alfredo Pettorosso, Patrone der kleinen Kaffeerösterei Inpunto, erklärt den Unterschied: „Arabica-Bohnen sind aromatisch und mild, während Robusta erdig-holzig und bitter schmecken. Daher kommt es auf eine ausgewogene Mischung an.“

Vor Jahren gab es in Triest noch an die 50 kleine Kaffeeröstereien. Wenn ihre Zahl auch geschrumpft ist – Illy, Hausbrand, San Marco, Excelsior, Inpunto –, verströmen sie ihren Kaffeeduft noch immer weit über die Stadt hinaus. Dass der langjährige Bürgermeister Riccardo Illy aus der berühmten Kaffeedynastie stammt, sagt schon einiges aus. Er gründete in den 90er-Jahren eine Kaffee Akadamie, um die Qualität auf hohem Level zu halten. 9,5 bar Druck, 91 Grad, 30 Sekunden – nach diesem „bewährten Rezept“ soll das „braune Gold“ durch die chromglitzernde Espressomaschine laufen, um dann mit einer dicken Crema in die vorgewärmte, dickwandige Tasse zu fließen.
Eine weitsichtige Habsburger Politik hat dazu beigetragen, dass Triest eine vorrangige Bedeutung im Kaffeehandel zukam. Karl VI, Vater von Maria Theresia, erklärte Triest im Jahr 1719 zum Freihafen und eröffnete damit dem wichtigsten Hafen des Habsburger Reiches die Möglichkeit des Han dels mit Rohkaffee. Die kluge Wirtschaftspolitik von Maria Theresia trieb den Kaffeehandel zur Hochblüte.
In Triest gibt es nicht nur die Kaffee-Akademie, die die hohe Kunst des Kaffeeröstens und der Mischungen lehrt, hier gibt es auch den Beruf des Kaffee-Veredlers. Die Firma Sandalj zum Beispiel kreiert in ihrem Labor immer neue Mischungen, mit dem Ziel, den Triestiner Kaffee noch bekömmlicher und schmackhafter zu machen. Und nicht zu verges sen den „Verein der am Kaffee handel Interessierten“ (Associa zione degli interessati al commer cio del caffè).
Kein Wunder, dass die Kaffeehauskultur – einst von Wien inspiriert – einen besonderen Nährboden fand. Schon im 19. Jahrhundert trafen sich in den Kaffeehäusern der Stadt Literaten, Künstler, Denker, Adelige und einfache Bürger. Oft in Ermangelung eines eigenen, geheizten Wohnzimmers. Hier wurde heiß diskutiert, geplaudert, gerastet, politisiert und Zeitung gelesen. Das Caffè Tommaseo war beispielsweise geheimer Treffpunkt der Irredentisten (Unabhängigkeitsbewegung Los von Habsburg) zu konspirativen Gesprächen. Der Bekannteste von ihnen: Guglielmo Oberdan (ein Slowene namens Oberdank, italienischer Nationalheld), der ein Attentat auf Kaiser Franz Josef plante und verraten wurde, was ihn schlussendlich den Kopf gekostet hat.
Besonders stolz sind die historischen Triestiner Cafés, die teilweise noch mit ihrer prachtvollen Jugendstil- und Art-Deco-Ausstattung glänzen, auf ihre prominente Literatenszene. James Joyce, Umberto Saba, Italo Svevo, Scipio Slataper. Man hat die meisten in Bronze gegossen und auf prominenten Plätzen der Stadt verewigt. James Joyce schaut verträumt auf den Canal Grande und Umberto Saba vergräbt seine Hände im Mantelsack, direkt unter den Bäumen an der Piazza Hortis.
Auch heute noch trifft man Schriftsteller in den Caffès an. Der Germanistikprofessor und Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels, Claudio Magris, ist so einer. Er hat nicht nur einen Stammplatz in der Ecke auf den abgewetzten Lederfauteuils, sondern auch die Postadresse im Café: Claudio Magris, Caffè San Marco, Via Cesare Battisti 18a, Triest. Und jeder Postbote wird ihn finden. Der Kriminalautor Veit Heinichen hat die Gran Malabar auf der Piazza San Giovanni 6 als Lieblingsplatz auserkoren. Dort hat er seine „Zeitungsfrau“ im Blick und die auf Hochglanz polierte Kaffeemaschine des Cafetiers Walter Cusmich.